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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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Wolf verwandelte. Welche Gestalt Red auch immer haben mochte - für Rocky war es stets derselbe geblieben.
    Bisher.
    Mit einem Satz stürzte sich Red auf den Waschbären, der jetzt blitzschnell im Wald hinter dem Toilettenhaus verschwunden war. Kurz darauf waren die beiden für mich nicht mehr zu sehen.

    Ich presste meine Hand auf die Brust, als könnte ich auf diese Weise mein Herz dazu bringen, weniger heftig zu pochen. Wollte Red den kleinen Burschen nun doch auswildern? So gern ich das geglaubt hätte, so schwer fiel es mir doch, mich davon zu überzeugen.
    Unruhig wartete ich eine Stunde, in der ich mir eine Tasse heiße Schokolade machte und eine Schale Frühstücksflocken mit Rosinen aß. Aber Red kehrte nicht zurück. Ehe ich schließlich zu Bett ging, schob ich den Riegel der Schlafzimmertür zu. Das würde ihn zwar nicht abhalten hereinzukommen, falls er das wirklich wollte, aber ich würde zumindest etwas Zeit gewinnen.
    Plötzlich fielen mir wieder Malachys Worte ein: Er hat eine Abmachung getroffen. Ich glaube, so funktioniert das .
    Am nächsten Morgen, als ich die Schlafzimmertür entriegelte, überlegte ich mir, wie ich Red mein Verhalten erklären konnte. Sollte ich sagen: Tut mir leid, aber ich hatte befürchtet, dass du mich angreifst? Oder sollte ich ihn fragen: Welche Abmachung ist das gewesen? Und mit wem?
    Doch als ich eine Stunde später losging, um den Zug zu nehmen, war er immer noch nicht zurück.
    Und auch von Rocky fehlte jede Spur.

Teil zwei

14
    Ich wusste, dass es von einem traditionell konservativen Blickwinkel aus keine gute Idee war, so kurz vor Vollmond nach New York zu fahren. Doch als ich den Mondkalender zu Rate zog, stellte ich fest, dass mir noch etwa vierundzwanzig Stunden Zeit blieben, ehe ich mich in echter Gefahr befand, mich zu verwandeln. Trotzdem sah ich vorsichtshalber immer wieder auf meine Armbanduhr, die eine kleine Kalenderanzeige samt Mondphasen hatte. Am neunzehnten Januar war der Mond eindeutig drei viertel und noch nicht ganz voll, wobei der Mondschatten allerdings immer weniger wurde.
    Ich wusste nicht, wie es anderen Werwölfen erging, aber Magda, Hunter und ich hielten uns mit der Hingabe von Orthodoxen oder Esoterikern an den Mondkalender. Da eine gute Woche lang der Mond mehr oder weniger voll genug war, um uns wölfisch zu stimmen, und auch die Tage davor und danach nicht die besten schienen, um Termine wie eine Hochzeit oder eine Reise zu planen, bedeutete die Lykanthropie vor allem, genau zu wissen, wann man sich entspannen, wann man dagegen nicht mit einem normalen Verhalten rechnen konnte sowie wann man sich an der Grenze zwischen Mensch und Wolf befand.

    An dieser Grenze befand ich mich im Augenblick. Aber gleichzeitig wusste ich, dass ich dringend mit einer echten Freundin reden musste. Obwohl ich eigentlich gehofft hatte, den jetzigen Zustand meiner romantischen Verwicklungen vor Lilliana geheim halten zu können, war mein Bedürfnis nach dem guten Rat einer Freundin inzwischen deutlich stärker als der Wunsch, nicht würdelos zu erscheinen.
    In Romanen oder Filmen scheint es Frauen nie auch nur im Geringsten schwerzufallen, sich vor ihren Freunden zu entblößen und ihnen ihr Herz auszuschütten. Ich musste da eine Ausnahme darstellen, denn meiner Meinung nach sollte es in einer wahren Freundschaft um Geben und Nehmen gehen. Lilliana und ich hatten in unserer bisherigen Beziehung keine großen Anforderungen an die jeweils andere gestellt. Wir kannten uns aus dem tiermedizinischen Institut als Kolleginnen, was bedeutete, dass stets eine gewisse Restformalität zwischen uns geblieben war, auch wenn wir beide wussten, dass wir uns in einer Krise aufeinander verlassen konnten. Das war das Wesentliche. Ich mochte vielleicht nicht jedes Detail über Lillianas Leben außerhalb des Instituts wissen, aber es reichte mir mitzuerleben, wie sie reagierte, wenn eine OP noch nicht beendet war und der Hund auf dem OP-Tisch auf einmal aus der Narkose erwachte.
    Zu den meisten meiner Freunde aus der Highschool und dem College hatte ich schon lange den Kontakt verloren. Und ich hatte, ehrlich gesagt, auch überhaupt keine Lust darauf, die letzten fünf oder zehn Jahre vorzuspulen, ehe ich mit meiner augenblicklichen Situation beginnen konnte. Lilliana wusste zumindest, wo ich gerade wohnte
und mit wem ich zusammen war, auch wenn sie keine Ahnung hatte, dass ich heutzutage ein- oder zweimal pro Monat für einen meiner eigenen Patienten gehalten werden

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