Wolfsmagie (German Edition)
Sicherheit zu garantieren?
Ja.
»Die Frau behauptet, Nessie habe sie gerettet«, sagte Kris.
»Ich weiß.« Alan Macs Blick ruhte auf ihrem Gesicht. »Und was denken Sie?«
Kris zuckte die Achseln. »Ich habe sie am Ufer gefunden. Sie atmete nicht. Ich habe eine Reanimation durchgeführt. Dann sind Sie aufgetaucht.«
»Mmm«, brummte er. »Ich vermute, zu der Geschichte gehört ein wenig mehr als das.«
»Sie sagt, dass jemand sie auf den Kopf geschlagen und zum Wasser geschleift hat. Das Nächste, woran sie sich erinnert, ist, dass sie zu ertrinken drohte.«
Alan Mac fluchte. »Ich muss zurück aufs Revier. Ich setze Sie an Ihrem Cottage ab.«
Kris war kurz davor zu sagen, dass sie laufen würde, aber ihre Beine schlotterten noch immer, genau wie der Rest von ihr. Eine Morgendämmerung im September war nicht der günstigste Zeitpunkt, um bis auf die Haut durchnässt zu sein. Falls ihre Lippen noch nicht blau waren, würden sie es bald sein.
Also stieg sie in seinen Wagen, der nach alten Tennisschuhen und schlechtem Kaffee roch. Kris hätte das Fenster geöffnet, hätte sie die Energie aufgebracht.
»Was wird mir das Opfer sonst noch erzählen?«, fragte Alan Mac.
Kris seufzte. Polizisten ließen Zeugen ihre Aussagen gern wiederholen, um festzustellen, ob ihnen noch etwas einfiel, aber das hier war wirklich ermüdend. Sie war Journalistin. Sie wusste, worauf er abzielte.
Sie klopfte sich mit den Knöcheln auf den Scheitel, dann vollführte sie eine Abwärtsbewegung. »Platsch«, kommentierte sie und benutzte beide Hände, um es zu demonstrieren.
Alan Mac verdrehte die Augen. »Und dann?«
»Ihr Opfer behauptet, von Nessie gerettet worden zu sein.«
»Aber Sie haben nichts gesehen?«
Kris guckte ihm fest ins Gesicht. »Nichts außer der Frau.«
Sobald die Sonne untergegangen war, kletterte Liam aus dem Wasser und holte die Klamotten, die er für jene Gelegenheiten hier bunkerte, wenn er sich verwandeln musste, ehe er sich entkleiden konnte. Wenn das passierte, lösten sich die Sachen, die er getragen hatte, einfach in Luft auf.
So funktionierte Magie nun mal.
»Ich hab dir gesagt, dass du dich von ihr fernhalten sollst.«
Obwohl er noch immer tropfnass und splitternackt war, schrak Liam nicht zusammen, als aus der Dunkelheit des Waldes eine Stimme ertönte. Er hatte gewusst, dass jemand dort war. Hatte fest damit gerechnet.
Alan Mac trat zwischen den Bäumen hervor, als Liam seine Hose anzog. »Sie weiß es.«
»Natürlich weiß sie es.« Das Geräusch des Reißverschlusses unterstrich perfekt die Schärfe seiner Worte. »Sie hat mich gesehen.«
»Aber …« Alan Mac runzelte die Stirn. »… sie hat mir direkt in die Augen geschaut und beteuert, dass sie nur die Frau gesehen hat.«
Interessant . Liam fragte sich unwillkürlich, warum Kris in dieser Angelegenheit log, vor allem, nachdem sie Lügen verabscheute.
»Sie hat mich gesehen«, wiederholte er. »Ich habe mich vor ihren Augen verwandelt.«
»Hast du sie noch alle?« Alan Mac warf seine großen Hände in die Luft. »Jetzt muss ich sie …« Im Bruchteil einer Sekunde hatte Liam die Distanz zwischen ihnen überwunden und eine Hand um den Hals des wesentlich größeren Mannes gelegt. »Das wirst du nicht.«
»Aber mein Gelübde«, keuchte Alan Mac.
»Scheiß auf dein Gelübde.« Liam beugte sich näher zu ihm und drückte zu. Alan Macs Gesicht begann rot anzulaufen. »Du wirst sie nicht anrühren. Sie gehört mir.«
Er stieß ihn weg. Der andere Mann stolperte und wäre fast hingefallen. Er massierte sich seinen Hals, während Liam in aller Ruhe sein Hemd aufhob und es überstreifte.
»Dieses Gelübde wurden vor längst vergangenen Tagen verfasst«, fuhr Liam fort. »Es ist nicht mehr …« Er suchte nach einem Wort. »… zeitgemäß. Du kannst keinen Menschen töten, nur weil er beobachtet hat, wie ich mich verwandle. Ich verbiete es.«
»Ja, Uilebheist .«
Liam seufzte. Bis vor Kurzem hatte niemand seinen wahren Namen gekannt. Sie hatten ihn Uilebheist genannt. Der gälische Ausdruck für »Ungeheuer«.
Er verabscheute ihn.
Natürlich war er früher ein Ungeheuer gewesen. Er hatte getötet, und er hatte es genossen.
Doch seit er zu dem Wesen geworden war, das man Nessie nannte – ein Ungeheuer bei Tag, ein Mann bei Nacht –, war er kein echtes Ungeheuer mehr.
Was es gleichzeitig ironisch und ärgerlich machte, dass man ihn so bezeichnete. Trotzdem gestattete er es – welche Rolle spielte es schon, wie sie ihn nannten?
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