Wolfsmagie (German Edition)
Bedienung verriet, dass sie den Witz schon früher gehört und auch da nicht komisch gefunden hatte. Kris, die während ihrer Zeit am College selbst gekellnert hatte, konnte es ihr nachempfinden. Gäste waren immer Komiker. Zumindest hielten sie sich dafür.
Die Nessies wurden mit Pommes und Gemüse serviert, Letzteres wohl, um die vom Frittierfett verstopften Arterien freizupusten.
Sie aß alles auf und spülte es mit etwas runter, das die Speisekarte als »Schottlands zweites Nationalgetränk« oder auch Irn-Bru anpries und das nach einer Mixtur aus Orangen- und Zitronenlimonade schmeckte.
Kris verließ das Restaurant vor einer großen Gruppe belgischer Touristen, dann zahlte sie die Eintrittsgebühr für das Museum bei einer jungen Frau mit Wangengrübchen und schottischem Dialekt und schlüpfte hinein.
Sollte sich das Museum als Sammelsurium unscharfer Aufnahmen von Fischflossen und violetten, aufblasbaren Plesiosauriern entpuppen, würde Kris ihre Verabredung bei MacLeod’s ohne schlechtes Gewissen platzen zu lassen und das Lokal, das der Beschreibung nach sehr vielversprechend klang, zu einem späteren Zeitpunkt besuchen. Ein uraltes, authentisches schottisches Pub sollte man sich keinesfalls entgehen lassen.
Doch tatsächlich war Kris von Dougals Museum beeindruckt. Er hatte bei seiner Ausstellung fantastische Arbeit geleistet. Er musste irgendeine künstlerische Ausbildung genossen haben, wahlweise hatte er jemanden angeheuert, auf den das zutraf. Alles war gut ausgeleuchtet, farbenfroh und leicht zu lesen, außerdem gab es hier vieles zu bestaunen, das Kris noch nie gesehen hatte. Sie wünschte sich, ihren Notizblock mitgebracht zu haben, um sich die Fragen zu notieren, die sie ihm später stellen wollte.
Es könnte sein, dass sie in Dougal Scott ihren neuen besten Freund gefunden hatte.
4
Nachdem sie den Nachmittag über mit dem Internet gerungen und anschließend ein langes, geruhsames Nickerchen gehalten hatte, spazierte Kris zurück zum Mythos Motel. Die Sonne versank gerade am Horizont, als sie eine Straße weiter nach Norden abbog, noch einen Block zurücklegte, dann war sie am Ziel.
Eingepfercht in eine Reihe neuerer Gebäude stach das MacLeod’s aus ihnen hervor wie ein Urgroßvater bei der Geburtstagsfeier eines Vierjährigen.
Die aus grauem Mauerstein bestehende Fassade schien original zu sein. Das Haus hatte leichte Schlagseite nach rechts. Allerdings war das Dach heute nicht mehr strohgedeckt, und die Fenster, die anfangs vermutlich nichts weiter als grobe Löcher in den Wänden gewesen waren, protzten nun mit funkelnden Glasscheiben und roten Läden.
Im Inneren bestanden sowohl der Fußboden als auch die Theke aus poliertem Holz. Die Decke hing tiefer, als Kris das gewohnt war – ein Nachweis dafür, wie viel kleiner die Menschen zu jener Zeit, als das Pub erbaut worden war, gewesen sein mussten. Hinter gemauerten Torbögen waren weitere kleinere Räume zu erkennen, woraus Kris schloss, dass das MacLeod’s früher neben dem öffentlichen Zechbereich für die ungewaschenen Massen auch über private Séparées für die wenigen Privilegierten verfügt hatte.
Das Lokal war zu drei Vierteln besetzt – Männer und Frauen jeden Alters saßen in Nischen, an Tischen und an der Bar. Ihre Aufmachungen verrieten ihre Berufe – Koch, Kellnerin, Parkplatzwächter, Landwirt –, nur die wenigsten hatten sich die Mühe gemacht, sich nach der Arbeit umzuziehen. In einer Ecke hockten Rob und Effy Cameron, beide mit einem Humpen Bier vor sich.
Sie stritten, zumindest tat Effy das. Ihre Lippen bewegten sich, und sie gestikulierte hektisch, um ihren Standpunkt zu unterstreichen, dabei schwappte Bier über den Rand ihres Glases auf den Tisch. Rob saß einfach nur da und trank.
Die Gespräche wurden gedämpfter, als Kris eintrat. Beinahe hätte sie sofort den Rückzug angetreten. Das MacLeod’s gehörte den Einheimischen, und dazu zählte sie nicht.
Dougal stand auf und winkte sie an die Bar. Leises Geraune folgte Kris auf ihrem Weg durch die Schankstube. Erst als sie sich auf einen der leeren Hocker neben Dougal pflanzte, wurden die Gespräche wiederaufgenommen.
»Ich war nicht sicher, ob Sie kommen würden.«
Kris war sich selbst nicht sicher gewesen, aber trotz des Geflüsters und der neugierigen Blicke war sie froh, es getan zu haben. Immerhin war sie in Schottland. Sie wollte so viele schottische Eindrücke wie möglich gewinnen, bevor ihr das Geld ausging und sie heimfliegen
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