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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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eines
braucht, meiden sie ihn alle. Er wartet trotzdem, leicht verstört um sich blickend. Und während
er wartet, denkt er nach, und während er nachdenkt, beruhigt er sich ein wenig.
Was, zum Teufel, macht er hier überhaupt? Er fordert sein Schicksal ja regelrecht heraus. Er
schreit förmlich nach Ärger, wie ein schwarz gekleideter Calvinist, der darum bittet, für seine
Sünden geschlagen zu werden. Bitte einen Peitschenhieb auf den Rücken. Rebus hatte sie sich alle
angesehen, alle Religionen, die es gab. Er hatte von ihnen gekostet, und jede hatte auf ihre Art
bitter geschmeckt. Wo war die Religion für diejenigen, die sich nicht schuldig fühlten, sich
nicht schämten, die kein schlechtes Gewissen hatten, wenn sie wütend wurden oder es jemandem
heimzahlten oder, noch besser, es jemandem ordentlich heimzahlten. Wo war die Religion für einen
Mann, der glaubte, dass das Gute und das Böse nebeneinander existieren mussten, selbst innerhalb
eines Individuums? Wo war die Religion für einen Mann, der an Gott glaubte, aber nicht an Gottes
Religion?
Und wo waren die verdammten Taxis?
»Zum Teufel damit.« Er ging zum ersten Streifenwagen, den er sah, klopfte ans Fenster und wedelte
mit seinem Ausweis.
»Inspector Rebus«, erklärte er. »Können Sie mich bitte in die Gower Street fahren?«
Das Gebäude wirkte so verlassen wie eh und je, und Rebus fürchtete schon, dass diesmal selbst die
Sekretärin sich verfrüht ins Wochenende abgesetzt haben könnte. Aber nein, sie war da, wie das
Faktotum eines verstaubten Herrenhauses. Als er sich räusperte, blickte sie von ihrer Häkelarbeit
auf.
»Ja?«, sagte sie. »Kann ich Ihnen helfen?« Sie schien sich nicht an ihn zu erinnern. Rebus zog
seinen Ausweis hervor und schob ihn ihr hin.
»Detective Inspector Rebus«, sagte er, die Stimme voller Autorität.
»Scotland Yard. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen über Dr. Frazer stellen.«
Die Frau wirkte verängstigt. Rebus befürchtete, dass er sich zu bedrohlich benommen hatte. Er
versuchte es mit einem Lächeln à la Machen Sie sich keine Sorgen, wir sind ja nicht hinter
Ihnen her einem friedfertigen Lächeln. Doch die Frau wirkte kein bisschen weniger
verängstigt, und ihre Angst machte sie nervös.
»Ach du meine Güte«, stammelte sie. »Auwei, auwei.« Sie blickte zu ihm auf. »Was haben Sie
gesagt? Dr. Frazer? Aber es gibt keinen Dr. Frazer am Institut.«
Rebus beschrieb Lisa Frazer. Die Frau hob plötzlich den Kopf, weil sie die Beschreibung
erkannte.
»Ach, Lisa? Sie meinen Lisa? Aber da liegt ein Irrtum vor. Lisa Frazer gehört nicht zum
Lehrpersonal. Meine Güte, nein. Mag zwar sein, dass sie ein oder zwei Tutorien gegeben hat, für
jemanden eingesprungen ist. Auwei, Scotland Yard. Was, ich meine, sie hat doch wohl nicht... Was
hat sie getan?«
»Sie arbeitet also nicht hier?« Rebus musste Gewissheit haben. »Wer ist sie dann?«
»Lisa? Sie ist eine von unseren Doktoranden.«
»Eine Studentin? Aber sie ist doch...« Er hätte beinah gesagt »alt«.
»Eine schon etwas ältere Studentin«, erklärte die Sekretärin. »Du meine Güte, steckt sie in
Schwierigkeiten?«
»Ich war schon mal hier«, sagte Rebus. »Da haben Sie mir nichts von alldem gesagt. Warum?«
»Sie waren schon mal hier?« Sie betrachtete sein Gesicht. »Ja, ich erinnere mich. Na ja, ich hab
Lisa versprechen müssen, es niemandem zu sagen.«
»Warum?«
»Wegen ihrem Projekt, hat sie gesagt. Sie schreibt an einer Arbeit über wie war das noch gleich?«
Sie zog eine Schublade an ihrem Schreibtisch auf und nahm ein Blatt Papier heraus. »Ach ja,
Psychologische Aspekte bei der Ermittlung von Schwerverbrecher. Sie hat mir erklärt, dass sie an
einer polizeilichen Ermittlung teilnehmen musste, dass sie Vertrauen gewinnen musste beim
Gericht, bei der Polizei und so weiter. Sie hat mir erzählt, sie wollte sich als Dozentin
ausgeben. Ich hab ihr gesagt, sie soll das lassen, hab sie gewarnt, aber sie hat gesagt, es wär
die einzige Möglichkeit. Die Polizei würde für eine Studentin nicht ihre Zeit opfern, stimmt
das?«
Rebus wusste nicht, was er antworten sollte. Die Antwort lautete natürlich nein, das würde die
Polizei nicht tun. Warum sollte sie auch?
»Also hat sie Sie dazu gebracht, sie zu decken?«
Die Frau zuckte die Achseln. »Lisa ist eine ziemlich überzeugende junge Dame. Sie hat gesagt, ich
würde wahrscheinlich nicht richtig lügen müssen. Ich brauchte einfach nur so Dinge zu sagen wie,
sie ist nicht da, sie

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