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Wolfsmale

Titel: Wolfsmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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unterrichtet heute nicht und so weiter. Falls überhaupt jemand auf die Idee
käme, sich nach ihr zu erkundigen.«
»Und hat sich jemand nach ihr erkundigt?«
»O ja. Erst heute hatte ich einen Anruf von jemandem, mit dem sie ein Interview vereinbart hatte.
Er wollte sich vergewissern, dass sie wirklich zum University College gehört und nicht bloß eine
Journalistin oder irgendeine Schnüfflerin ist.«
Heute? Ein Interview heute. Nun ja, diese Verabredung würde sie nicht einhalten können.
»Wer war dieser Anrufer?«, fragte Rebus. »Können Sie sich daran erinnern?«
»Ich glaub, ich hab's aufgeschrieben«, sagte sie. Sie nahm sich den dicken Notizblock, der neben
ihrem Telefon lag, und blätterte ihn durch.
»Er hat gesagt, wer er wäre, aber ich kann mich nicht erinnern. Es kam vom Old Bailey. Ja, so
war's. Sie hatte sich mit ihm im Old Bailey verabredet. Normalerweise schreib ich mir so was
sofort auf, sobald jemand seinen Namen nennt, damit ich's nicht vergesse. Aber da ist nichts. Das
ist merkwürdig.«
»Vielleicht im Papierkorb?«, schlug Rebus vor.
»Ja, vielleicht.« Doch sie klang zweifelnd. Rebus stellte den kleinen Weidenkorb auf ihren
Schreibtisch und begann, ihn durchzusehen. Abfälle vom Bleistiftspitzen und Verpackungen von
Süßigkeiten, ein leerer Kaffeebecher aus Styropor und zerknülltes Papier. Reichlich zerknülltes
Papier.
»Zu groß«, sagte sie mehrfach, wenn er begann, eine Papierkugel auseinander zu nehmen, oder: »Zu
klein.« Bis er schließlich ein zerknülltes Blatt herauszog und es auf dem Schreibtisch glatt
strich. Es sah aus wie ein bizarres Kunstwerk, voller Schnörkel, Hieroglyphen und kleinen
Notizen, Telefonnummern, Namen, Adressen.
»Ah«, sagte sie und fuhr mit dem Finger über eine Ecke, wo etwas ganz dünn und undeutlich mit
Bleistift geschrieben stand. »Kann es das sein?«
Rebus sah genauer hin. Ja, das war's. Das war es ganz eindeutig.
»Danke«, sagte er.
»Auwei«, sagte die Sekretärin. »Hab ich sie jetzt in Schwierigkeiten gebracht? Steckt Lisa in
Schwierigkeiten? Was hat sie getan, Inspector?«
»Sie hat uns angelogen«, sagte Rebus. »Und deswegen muss sie sich jetzt verstecken.«
»Verstecken? Du meine Güte, davon hat sie mir ja gar nichts gesagt.«
Rebus bekam allmählich den Verdacht, dass die Sekretärin nicht alle Tassen im Schrank hatte. »Bis
heute wusste sie ja selber noch nicht, dass sie in Schwierigkeiten steckt«, sagte er.
Die Sekretärin nickte. »Ja, aber sie hat doch erst vor gut einer Stunde angerufen.«
Rebus' Gesicht bestand plötzlich nur noch aus Falten. »Was?«
»Ja, sie hat gesagt, sie riefe aus dem Old Bailey an. Sie wollte wissen, ob es irgendwelche
Nachrichten für sie gäbe. Sie hat mir erzählt, sie hätte vor ihrem zweiten Termin noch etwas Zeit
totzuschlagen.«
Rebus fragte nicht, ob er telefonieren dürfte. Er wählte rasch und hielt den Hörer wie eine Waffe
in der Hand. »Ich möchte George Flight sprechen.«
»Augenblick, bitte.« Das leise ratternde Geräusch vom Weiterverbinden.
Dann: »Ermittlungsraum, Detective Sergeant Walsh am Annarat.«
»Hier ist Inspector Rebus.«
»Ach ja?« Mit der Stimme hätte man jetzt Glas schneiden können.
»Ich muss mit Flight reden. Es ist dringend.«
»Er ist in einer Besprechung.«
»Dann holen Sie ihn da raus! Ich hab doch gesagt, es ist dringend.«
In der Stimme des Sergeant klangen Zweifel und Zynismus. Schließlich wusste doch jeder, dass das dringend des Schotten einen Dreck wert war.
»Ich kann ihm eine Nachricht hinterlassen...«
»Verscheißern Sie mich nicht, Walsh! Entweder holen Sie ihn jetzt, oder Sie verbinden mich mit
jemandem, der noch ein funktionierendes Gehirn im Kopf hat!«
Kalick. Brrrrr. Die ultimative Abfuhr. Die Sekretärin starrte Rebus entsetzt an. Vielleicht
wurden Psychologen nie wütend. Rebus versuchte, ein beruhigendes Lächeln aufzusetzen, doch es sah
eher wie ein verunglücktes Clownsgesicht aus. Er deutete eine Verbeugung an, bevor er sich zum
Gehen wandte, und wurde den ganzen Weg bis zur Treppe von einer Frau beobachtet, die vor
Peinlichkeit fast umkam.
Rebus kribbelte das Gesicht vor neu entfachtem Zorn. Lisa Frazer hatte ihn ausgetrickst, mit ihm
herumgespielt wie mit einem Idioten. Mein Gott, was er ihr alles erzählt hatte. Er hatte
geglaubt, sie wolle bei dem Wolfsmann-Fall helfen, und nicht gemerkt, dass er nur Teil ihres
Projekts war. Mein Gott, was er alles gesagt hatte. Was hatte er eigentlich gesagt? Zu viel, um
sich

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