Wolfsmale
besessen,
George.«
Flight sah ihn an, als suche er die Bestätigung, dass das ein Scherz war, doch Rebus war völlig
ernst. »Ich meine das wirklich.«
Flight stand auf und ging zum Fenster. »Vielleicht war es ja noch nicht mal der Wolfsmann.«
»Vielleicht nicht«, räumte Rebus ein.
»Und wenn sie nicht an die Öffentlichkeit gehen will?«
»Das spielt keine Rolle. Wir geben die Geschichte trotzdem an die Medien. Wir behaupten trotzdem,
wir hätten eine gute Beschreibung.«
Flight wandte sich vom Fenster ab. »Du glaubst ihr also? Du hältst sie nicht für eine
Spinnerin?«
»Natürlich ist dies möglich, aber ich glaube es eigentlich nicht. Sie klingt sehr plausibel. Die
Details sind vage genug, um überzeugend zu sein. Schließlich ist das Ganze drei Monate her. Wir
können sie ja überprüfen lassen, wenn du willst.«
»Ja, das würde ich sehr gerne tun.« Flights Stimme war völlig emotionslos. Dieser Fall raubte ihm
alle Kräfte, die er besaß. »Ich möchte was über ihre Herkunft wissen, ihre gegenwärtige
Situation, ihre Freunde, eventuelle Krankheiten, ihre Familie.«
»Ich könnte Lisa Frazer bitten, irgendwelche psychologischen Tests mit ihr zu machen?«, schlug
Rebus nicht ganz ohne Ironie vor. Flight lächelte schwach.
»Nein, nur die Informationen, die ich genannt hab. Setz Lamb darauf an, dann geht er uns nicht
auf die Nerven.«
»Du magst ihn also nicht?«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Komisch, mir hat er gesagt, du wärst zu ihm wie ein Vater.«
Die Anspannung war verschwunden. Rebus hatte das Gefühl, dass er einen weiteren kleinen Sieg
errungen hatte. Beide lachten. Ihre Abneigung gegen Lamb schien die Beziehung zwischen ihnen zu
stärken.
»Du bist ein guter Polizist, John«, sagte Flight, und Rebus wurde gegen seinen Willen rot.
»Verpiss dich«, antwortete er.
»Dabei fällt mir ein«, sagte Flight. »Ich hab dir doch gestern gesagt, du sollst nach Hause
fahren. Hast du irgendwas in der Richtung vor?«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Rebus. Einen Augenblick passierte nichts, und dann nickte
Flight.
»Gut«, sagte er. »Das ist gut.« Er ging zur Tür. »Vorläufig jedenfalls.«
Er drehte sich noch einmal zu Rebus um. »Fall mir bloß nicht in den Rücken, John. Das hier ist
mein Revier. Ich muss wissen, wo du bist und was du vorhast.« Er tippte an seinen Kopf. »Ich muss
wissen, was da oben vorgeht. Okay?«
Rebus nickte. »Klar, George. Kein Problem.« Aber er hatte die Finger hinter dem Rücken gekreuzt.
Er arbeitete am liebsten allein, und er hatte das Gefühl, dass Flight aus anderen Gründen als der
typisch cockneyhaften Kumpelei in seiner Nähe bleiben wollte. Außerdem, wenn sich herausstellen
sollte, dass der Wolfsmann ein Polizist war, konnte niemand ausgeschlossen werden, absolut
niemand.
Rebus versuchte es noch einmal bei Lisa, doch sie meldete sich nicht.
Um die Mittagszeit schlenderte er ziellos durch das Polizeigebäude, da traf er zufällig Joey
Bennett, den Constable, der ihn an seinem ersten Abend in London auf der Shaftesbury Avenue
angehalten hatte. Bennett war zunächst misstrauisch. Dann erkannte er Rebus. »Ach hallo, Sir.
Waren Sie das neulich auf dem Bild in der Zeitung?«
Rebus nickte. »Das ist aber doch nicht Ihr Revier, oder?«, fragte er.
»Nein, nicht so ganz, Sir. Bin sozusagen auf der Durchreise. Hab einen Gefangenen hier
abgeliefert. Diese Frau da neben Ihnen auf dem Foto. Sie sah ziemlich...«
»Haben Sie Ihr Auto dabei?«
Bennett wurde wieder misstrauisch. »Ja, Sir.«
»Und Sie fahren jetzt zurück in die Innenstadt?«
»Ja, ins West End, Sir.«
»Gut. Dann haben Sie doch sicher nichts dagegen, mich mitzunehmen?«
»Äh, nein, Sir. Selbstverständlich nicht, Sir.« Bennett setzte ein so wenig überzeugendes Lächeln
auf, wie Rebus es bisher nur bei einem Synchron-Schwimmwettkampf gesehen hatte. Auf dem Weg zum
Auto kam Lamb an ihnen vorbei.
»Haben die Zähne schon aufgehört zu klappern?«, fragte er, doch Rebus war nicht in der Stimmung,
zu antworten. Lamb ließ sich aber nicht entmutigen. »Gehen Sie irgendwohin?« Es gelang ihm,
selbst diese simple Frage wie eine Drohung klingen zu lassen. Rebus blieb stehen, drehte sich um
und trat so dicht an ihn heran, dass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt
waren.
»Ja, wenn Sie gestatten, Lamb, ich gehe irgendwohin.« Dann drehte er sich wieder um und ging
hinter Bennett her. Lamb sah ihnen nach, die obere Zahnreihe zu einem dämlichen Grinsen
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