Wolfsmondnacht (German Edition)
»Die wäre?«
»Mein Weib bleibt hier.«
»Bei mir?«
»Wo sonst?« Jean-François lächelte mokant.
»Aber das ist höchst unmoralisch.«
»Um Moral habe ich mich nie geschert.«
Mortemard wirkte verlegen. Er räusperte sich. »Nun, wenn dem so ist. Sie kann jedoch nicht mit mir zusammenwohnen. Das werdet Ihr sicherlich verstehen.«
» Non , Ihr könnt bei mir in Padua bleiben, solange Ihr möchtet, doch mein Weib bleibt hier. Keine Sorge, es gibt ein Gästezimmer. Zudem kann es noch einige Zeit dauern, bis ich nach Paris aufbreche. Ihr müsst um Eure Moral noch nicht fürchten.«
Mortemard hob die Achseln. »Es war nicht meine Moral, um die ich bedacht war, sondern um die Eures Eheweibes. Ich werde die Gelegenheit ergreifen, in Padua zu studieren, denn sie kommt niemals wieder. Ich danke Euch, Monsieur Merdrignac. Ihr erwähntet, eine Zweigstelle in Padua führen zu wollen?«
Jean-François nickte.
»Das könnte ich übernehmen, wenn ich jemanden zur Unterstützung bekäme.«
Jean-François sah ihn erstaunt an. »Ihr?«
» Oui . Irgendwie muss ich mich finanzieren. Mein Vater war Schneider. Ich kenne mich mit den Stoffen aus, mit denen Ihr handelt. Außerdem habe ich kaufmännische und buchhalterische Grundkenntnisse.«
»Es wäre tatsächlich zu überlegen.« Jean-François lächelte. Heute war sein Glückstag.
»Eine Frage habe ich noch, Monsieur Merdrignac. Der Arzt sagte mir, dass heute der 25. August ist.«
»Tatsächlich?«
» Oui .« Mortemard nickte. »Wie komme ich innerhalb eines Tages von Paris nach Padua?«
Jean-François zögerte kurz, entschied sich jedoch, so nah an der Wahrheit zu blieben wie möglich. »Wir sind geflogen.«
»Wir sind keine Vögel, Monsieur. Das wäre ein Wunder. Ihr müsst es mir genauer erklären.«
»Das kann ich nicht, selbst wenn ich es wollte.«
»Doch Ihr werdet es versuchen?«
» Non , Monsieur, ich muss Euch enttäuschen. Das werde ich nicht. Seid froh, aus Paris lebend entkommen zu sein und stellt keine Fragen, die ich nicht beantworten kann.«
Mortemard sah ihn verwundert an. »Nun, einer meiner größten Träume ist im Begriff, sich zu verwirklichen. Ich sollte nicht die Umstände, die dazu geführt haben, anzweifeln. Abgemacht, Monsieur Merdrignac!«
»Abgemacht, Monsieur Mortemard. Noch heute Nacht setze ich die Verträge auf.«
Monsieur Mortemards Lächeln nahm seinen Zügen die Härte. Jean-François war versucht, ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, unterdrückte diesen Impuls jedoch. Nur eine einzige Frage brannte noch in seiner Seele.
»Ihr seid Euch wirklich sicher, dass das Sezieren hier legal ist?«
Monsieur Mortemard nickte. »Absolut sicher.«
»Und woher bekommt Ihr die Leichen?«
»Wir schneiden die Gehängten vom Galgen.
Es ging nichts über nette Hausgenossen.
20. September 1572
Die Hebamme kam aus dem Gästezimmer von Jean-François’ Haus. Sie sah erschöpft aus. Ihre hagere Gestalt jedoch hielt sie gerade, als sie auf Jean-François zuging.
»Die Signora ist wohlauf«, sagte sie. »Ihr habt eine Tochter.« Sie strich sich mit der Handoberseite das verschwitzte Haar aus der Stirn.
Irgendetwas am Tonfall der Hebamme gefiel Jean-François nicht. Er durchforschte ihre Gedanken jedoch nicht, sondern betrat den Raum, um nach Carina zu sehen.
»Meine herzlichsten Glückwünsche, Ca …« Er erstarrte mitten im Wort, als er das Kind erblickte.
»Was ist das?«, fragte er.
»Meine Tochter. Ich werde sie Concetta nennen.«
»Aber sie ist … Sie ist …«
»Das ist mir nicht entgangen.«
»Das dürfte den Kreis der Täter erheblich einschränken.«
Alessio trat hinter ihn durch die Tür. »In der Tat dürfte es das.«
»Er hieß Jimmy«, sagte Carina.
»Du wusstest es? Die ganze Zeit über wusstest du es?« Jean-François starrte sie an. Alessio trat neben ihn und sah grinsend von einem zum anderen.
Carina erbleichte. »Wissen? Nein, ich vermutete es, doch sicher war ich mir nicht.«
»Warum dann diese Farce mit mir? Warum hast du nicht Jimmy geheiratet?«
»Jimmy hätte mich bestimmt geheiratet, doch er war weg auf See. Er ist ein englischer Matrose und noch dazu ein Schwarzer. Mein Vater hätte mich erschlagen, enterbt und erschossen.«
Alessio erbleichte, schwieg jedoch.
»In dieser Reihenfolge?« Jean-François hob eine Augenbraue.
»Du kennst ihn doch. Du weißt, wie er ist.« Resignation klang in Carinas Worten mit. Tiefste Resignation und Schmerz.
»Treibe diesen Jimmy auf, dann werden
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