Wolfsmondnacht (German Edition)
aus.« Jean-François wusste, dass der Arzt das Einschussloch im Hemd gesehen hatte. Er hätte eine Jacke anziehen oder das Hemd wechseln sollen, es jedoch vergessen in der Eile und der Sorge um Mortemards Leben.
»Das ist alles sein Blut, da ich ihn hergetragen habe.«
»Wie Ihr wollt. Ihr könnt dennoch jederzeit auf mich zukommen, falls Ihr ärztliche Behandlung benötigt.« Der Arzt nannte ihm seinen Preis und Jean-François bezahlte sofort.
»Danke für Eure Hilfe und dass Ihr so schnell gekommen seid.«
»Ich komme morgen Vormittag wieder, um nach ihm zu sehen.«
Jean-François lächelte. »Leider habe ich tagsüber geschäftliche Termine. Meine Haushälterin wird Euch empfangen, docteur .« Gleich morgen würde er dem Mädchen aus der Nachbarschaft Bescheidgeben, das sich bei Bedarf um sein Haus kümmerte.
» Buona notte, Sior .« Der Arzt packte seine Sachen zusammen und erhob sich. Jean-François erwiderte den Gruß und sah dem Arzt nach, wie er den Raum verließ. Als dessen Schritte auf der Treppe verklangen, wandte er sich Mortemard zu, der noch immer ohne Bewusstsein war.
Er hatte schon besser ausgesehen. Seine Wangen waren eingefallen, die lange Nase ragte spitz empor. Dennoch war er nicht unattraktiv. Im Gegenteil wirkte er auf seine eigene Art anziehend. Selbst wenn der Mann bewusstlos war, umgab ihn eine Aura des Geheimnisvollen.
Jean-François nahm einen Lappen, befeuchtete ihn im Waschkrug und wusch damit sachte Mortemards Gesicht. Er entfernte, soweit es ihm möglich war, die Blutspuren von dessen Oberkörper. Der Geruch nach Blut und Mann ließ ihn für einen Moment schwindelig werden vor Begierde.
Ihm entging nicht, dass Mortemard, obwohl er so hager wirkte, durchaus muskulös war. Er rieb dessen Oberkörper vorsichtig trocken und deckte ihn zu. Mortemard würde einige Zeit Ruhe benötigen.
Jean-François riss sich seine Kleider, die ohnehin nicht mehr viel mehr als Fetzen waren, vom Leib. Er befüllte die Waschschüssel neu, um auch sich selbst zu waschen und frische Kleidung anzuziehen. Die verdorbenen Sachen entsorgte er.
Was machte er mit Monsieur Mortemard? Er konnte ihn nicht wieder nach Paris schicken. Nicht, nach dem, was er dort gesehen hatte. Das wäre eine andere Art von Mord. Da hätte er ihn gleich töten lassen können. Ein Mörder war er, gewiss, doch Mortemards Ableben würde er bedauern. Er hatte genug Platz im Haus. Mortemard sollte wieder zu Kräften kommen. Bis dahin würde ihm etwas einfallen.
Jemand klopfte an der Haustür. Einmal nur. Das hörte sich nicht nach Carinas Vater an. Jean-François ging hinunter und öffnete.
» Buonasera. « Alessio trat an ihm vorbei ins Haus. Ihn umgab ein Hauch vom Zypressenduft der Friedhofsbäume. Dies passte zu Alessio. Jean-François ließ ihm den Vortritt. Im roten Salon setzten sie sich gegenüber.
»Wie war es in Paris?«, fragte Alessio.
»Blutig. Die metzeln sich gegenseitig nieder.«
Alessio räusperte sich. »Dem entnehme ich, dass du in nächster Zeit doch nicht planst, dorthin zurückzugehen?«
»An meinen Plänen ändert sich nichts. Es verzögert sich alles wegen der fehlenden finanziellen Mittel und der derzeitigen Unruhen.«
Alessio hob eine Augenbraue. »Die Hochzeit war zu teuer?«
»Das hielt sich in Grenzen, zumal sich Carinas Vater an den Kosten beteiligt hatte. Allerdings hatte ich im Haus einiges herzurichten und ein paar neue Möbel erworben.«
»Und was sagt dein Eheweib zu deinen Umzugsplänen?«
Jean-François räusperte sich. »Sie bleibt hier.«
»Warum?«, fragte Alessio.
»Carina hat keinen Bezug zu Frankreich und …« Jean-François entkam den unangenehmen Fragen durch Carinas Schrei. Er und Alessio stürzten hinaus in den Flur in Richtung Carina.
Sie fanden sie in ihrem Nachtgewand in Jean-François’ Schlafzimmer, dessen Tür weit offen stand. Mortemard starrte Carina nicht minder entsetzt an, als sie ihn.
»Da ist ein fremder Mann in meinem Bett!« Carina deutete auf Monsieur Mortemard.
»In meinem Bett«, sagte Jean-François. »Warum schläfst du nicht im Gästezimmer?«
Carina starrte ihn wütend an. »Gästezimmer? Ich bin dein dir angetrautes Eheweib, Alexandre, und da du sowieso nie in deinem Bett schläfst, weil du immer bei deinen Huren bist, kann ich ebenso gut darin liegen. Ich ahnte ja nicht, dass du so unverfroren bist, deine Liebhaber unter dasselbe Dach zu bringen wie mich.« Sie schnaubte empört.
»Liebhaber?«, fragte Mortemard. »Wo bin ich hier überhaupt?
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