Wolfsmondnacht (German Edition)
und küsste ihn auf beide Wangen. » Bonsoir, mon ami . Besuche mich bald und lass mich wissen, wenn du etwas erfährst.«
»Das werde ich. Doch sei vorsichtig.«
»Das bin ich immer.«
»Das bist du nie.«
Zwei Nächte später
Paris, meine Liebe, meine morbide Schönheit , dachte Jean-François, während er wie in den beiden Nächten zuvor durch die Straßen der Stadt schlenderte. Wie hatte er sie vermisst! Die vertraute Geräuschkulisse, das Rumpeln von Karren, das Stimmengewirr der Händler und das Johlen der Straßenkinder. Selbst der Schmutz in den Gassen, der Unrat und der Kot, all dies gehörte zu seinem Paris. Endlich war er heimgekehrt. Es war die Zeit gekommen, sich neuen Geschäften zu widmen.
Jean-François betrat ein Haus in der Rue d’Énfer. Er musste nicht lange warten, da kam der Mann, mit dem er sich hier verabredet hatte. Dieser war dunkel gekleidet. Seine Kapuze hatte er tief ins Gesicht gezogen.
» Bonsoir , Monsieur«, sagte der Mann. Namen nannte man in diesen Kreisen nicht und wenn, dann falsche. Jean-François erwiderte den Gruß.
»Wo ist die Ware?«, fragte der Mann.
»Folgt mir.« Gemeinsam begaben sie sich in den Hinterraum. Jean-François goss Wein in einen Becher und reichte ihn dem Mann.
»Woher stammt der Wein?« Der Mann konnte sein Interesse vor ihm nicht verbergen. Jean-François lächelte. Sein Gespür für vorzügliche Ware hatte sich wieder als richtig erwiesen. Selbst jetzt, wo er keinen Wein mehr trinken konnte, erkannte er dessen Qualität am Geruch.
»Aus der Gegend zwischen Padua und Verona.«
»Wie viel?«
Jean-François nannte ihm seinen Preis. Der Mann nickte.
»Abgemacht. Zwanzig Fässer bis Samstag. Ich hole sie durch die Hintertür in der Seitengasse ab.«
»Tabakpulver auch?«, fragte Jean-François.
»Auch aus Verona?«
»Spanien.«
»Probe gefällig?«
Der Mann nickte. Jean-François reichte ihm einen Klumpen Kautabak. Er selbst konnte sich mit dem Zeug nicht anfreunden, doch offenbar wurde es immer beliebter in Paris. Königin Caterina musste ihn säckeweise konsumieren, angeblich um ihre Migräne damit zu kurieren.
Der Mann kaute und spuckte in einen grünspanigen Messingspucknapf, der auf der verstaubten Kommode stand. Jean-François fragte sich, wie lange das Haus bereits leer stand.
Der Mann nickte. »Nicht schlecht, das Zeug. Geben sie mir ein livre davon. Sie haben doch so viel?«
»Gewiss doch. Haltet es gut verpackt, sonst trocknet es aus und wird ungenießbar.«
Jean-François überreichte dem Mann den Tabak und nahm die Zahlung entgegen. Der Mann verschwand durch die Hintertür. Jean-François lächelte. Es hatte heute ein überaus lukratives Schmuggelgeschäft abgeschlossen. Jetzt galt es nur noch, eine andere Sache zu erledigen. Er verließ das Haus.
Die Rue des Rats in Paris besaß ihren Namen nicht ohne Grund, denn das nahe Hôtel-Dieu zog sie in Scharen an. Die Biester flohen, als Jean-François an Émiles Tür hämmerte. Dieser lebte jetzt in Suzettes ehemaligem Haus.
»Mach auf, verdammter Feigling!«, rief er.
Eine Nachbarin sah verärgert durch den Türspalt heraus. »Was soll das Geschrei?«
»Ich suche Monsieur Delavalle.«
»Den habe ich lange nicht mehr gesehen.«
»Hat er das Haus verkauft?«
»Ich weiß es nicht. Der ist ja kaum zu Hause. Ich glaube, es soll vermietet werden.«
»Wo ist er hingezogen?«
Sie sah ihn unfreundlich an. »Woher soll ich das wissen?«
» Au revoir , Madame.«
Sie antwortete nicht, sondern warf ihre Türe zu. Jean-François lief weiter. Émile war also weg und keiner wusste wohin. Wie üblich.
Gedankenverloren bog er um eine Häuserecke und stand plötzlich vor Antoine Blanchard. Dieser sah ebenso überrascht aus, wie er sich selbst fühlte.
»Bonsoir, Monsieur.« Er wollte an Antoine vorbeigehen, doch dieser hielt ihn auf, indem er seine Hand auf dessen Schulter legte. »» Bonsoir , Jean-François, bitte gehe nicht.«
»Ich dachte, du wolltest mich nicht mehr sehen, nachdem du unsere Freundschaft einfach so weggeworfen hast.« Er streifte Antoines Hand ab.
Antoine senkte den Kopf. »Sicherlich habe ich diese harten Worte verdient, doch höre mich an, Jean-François.«
»Es gibt nichts mehr zwischen uns.«
»Und genau das ist es, was mich betrübt.« Antoine sah ihn flehend an.
»Was willst du?«
»Sie haben den Mord an Valerie aufgeklärt. Du bist unschuldig.«
»Das wusste ich schon zuvor.« Jean-François wandte sich zum Gehen, doch Antoine hielt ihn
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