Wolfsmondnacht (German Edition)
waren Bauern, die leicht angetrunken von einem Fest heimkamen, sodass ihre Aussagen nicht unbedingt als die zuverlässigsten gelten.« Sie erzählte ihm über sämtliche Mordfälle.
»Wo ist Sr. Bonnot?«, fragte er.
»In der Nähe von Amange, wenn man sich nach Châtenois in nordöstlicher Richtung hält. Warum möchtest du das wissen?«
»Ist das weit von hier?«
»Weniger als drei Lieue. In leichtem Trab erreichst du es in einer Stunde.«
»Ich verstehe deine Trauer und deine Verzweiflung«, flüsterte Donatien in ihr Haar. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um euch zu helfen.«
Er löste sich von ihr und ließ sie mit einem Gefühl des Verlustes zurück. Sie sah ihn an durch den Schleier ihrer Tränen. Eine dumpfe Vorahnung erfasste sie, als er sich erhob.
»Was hast du vor?«
»Ich werde diesen Garnier aufsuchen. Selbst wenn er nicht der Täter ist, so weiß er vielleicht etwas. Schließlich lebt er die ganze Zeit im Wald.« Donatien verließ den Raum und stürmte die Treppe hinauf.
»Falls er ein loup-garou ist, so ist er gefährlich. Er kann auch dich töten«, rief sie ihm nach. Sie spürte, wie ihr Herz schwerer wurde mit jeder Stufe, die sie erklomm. Sie wollte nicht noch einmal jemanden verlieren. Nicht ihn.
Donatien wandte sich oben auf der Treppe um. »Das ist mir bewusst, doch wenn er es war, dann muss er sterben.« Er lief weiter durch den Flur. Céleste eilte ihm mit gerafften Röcken nach. Seine Zimmertür stand offen, ebenso seine Truhe. Sie spähte über seine Schulter und erblickte furchtbar aussehende Waffen mit schwarzen Klingen.
»Willst du in den Krieg ziehen? Ich dachte, du bist Heiler.«
»Das dachte ich bisher auch.«
Ihr Blick fiel auf etwas, das einem Paddel ähnelte.
Sie deutete darauf. »Was ist das?«
Er wandte sich zu ihr um, die Waffe in der Hand.
»Ein Macuahuitl , ein Obsidianschwert, wie es ein Volk Amerikas verwendet. Mir ist eine Zeichnung dieser Waffe in die Hände gefallen, sodass ich sie nachbauen konnte.«
Céleste ließ ihren Blick darüber gleiten. An den Seiten waren Obsidianklingen eingearbeitet, die gefährlich scharf aussahen. Ihrer Einschätzung nach konnte man jemandem damit großflächige Verletzungen zufügen.
»Es sieht nicht aus wie ein Schwert, eher wie ein Paddel.«
»Obsidian ist nicht wie die meisten Steine, sondern wie Glas. Ein Schwert aus diesem Material würde zu leicht zerbrechen. Dafür sind diese Klingen schärfer als welche aus Metall.«
»Warum Obsidian? Ich meine, woher willst du mit Sicherheit wissen, dass dies besser im Kampf gegen den loup-garou ist als Eisenwaffen? Hast du etwa schon einmal einen loup-garou damit bekämpft?«
»Ich bin Heiler und Forscher, doch kein Krieger. Ich verwende Obsidianmesser bei der Behandlung, da die Wunden danach besser verheilen. Als ich einen Mann behandeln sollte und das Obsidianmesser ansetzte, schrie dieser, da die Wunde anfing zu schwelen. Sie wurde ebenso schwarz wie der Stein. Rauch stieg daraus auf.
Der Mann verwandelte sich vor meinen Augen in eine unbeschreibliche Kreatur. Noch bevor die Umwandlung abgeschlossen war, wollte sie sich auf mich werfen, doch ich hielt die Klinge vor mich. Er rannte wie vom Teufel getrieben davon. Ich befürchte jedoch, es war reines Glück, einen Ängstlichen seiner Art getroffen zu haben.«
»Solche Kreaturen mitten in Paris. Das wäre entsetzlich. Das müsste doch jemandem aufgefallen sein.«
»Nicht unbedingt. Sie sind nachtaktiv. Die Fälle hier und in Paris fanden häufiger zu den Zeiten der Mondwechsel statt, Neumond gleichwohl wie Vollmond.«
»Vor wenigen Wochen waren diese Wesen noch Sagengestalten für mich.«
»Lass mich dir meine Messer zeigen.«
Céleste sah mit Verwunderung, wie Mortemard ein ganzes Arsenal an Obsidianmessern, Pfeilen und einem weiteren Schwert aus seiner Truhe holte. Offenbar kannte sie ihn weniger, als sie dachte.
Célestes’ Blick fiel wieder auf die Messer. »Du wirst Jeanne doch nichts tun?«
»Wo denkst du hin? Sie ist dein Kind.«
»Denkst du, du kannst Jeanne heilen?«
»Siehst du das, was sie ist, als Krankheit an?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie dem auch sei. Ich werde keine Zeit verlieren.«
Donatien bewaffnete sich wie die Artillerie und lief an Céleste vorbei aus dem Raum. Er stürmte die Treppe so schnell hinunter, dass Céleste kaum Schritt mit ihm halten konnte.
Vor dem Ausgang blieb er stehen. Er nahm die Kette ab, die er um den Hals trug. Céleste betrachtete den Stein, der
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