Wolfsmondnacht (German Edition)
sehr begehrt.«
»Ich weiß, doch ich hoffte, Ihr habt Beziehungen.«
»Die habe ich und für Euch will ich diese auch verwenden, doch Geduld ist vonnöten.«
»Das dachte ich mir bereits.« Fahrig strich Jean-François eine Haarlocke aus seinem Gesicht.
»Seid Ihr wirklich sicher, dass Ihr in Eurer angespannten finanziellen Situation ein Haus mieten wollt?«
Jean-François nickte. Alles in ihm widerstrebte sich, weiterhin in modriger Dunkelheit zwischen Dreck und Ratten zu schlafen und von Champignonzüchtern aufgegriffen zu werden. Auch im Bordell konnte er seine Tage nicht verbringen. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn ihn dort jemand fände. Entweder würde er zu Staub zerfallen oder den Eindringling blutleer trinken. Beides würde zu Gerüchten in der Bevölkerung führen.
»Meine Situation ist mir klar. Das ist nur eine Liquiditätskrise, die ich gedenke, bald überwunden zu haben.« Er dachte an seine Erfolge und die Geschäftsabschlüsse, die er für Monsieur Blanchard erreicht hatte.
Monsieur Blanchard lächelte. »Wenn Ihr so weitermacht, gewiss. Ich wünsche es Euch von ganzem Herzen.« Er musterte Jean-François nachdenklich. »Ihr seht heute blass aus, Monsieur, geht es Euch gut?«
»Macht Euch keine Sorgen um mich. Seid Ihr mit Juliette zufrieden?«, fragte er, um Blanchard abzulenken.
»Zufrieden? Ah, Mademoiselle Juliette ist bezaubernd.«
Jean-François wischte sich über die Stirn. »Es freut mich, dass sie Euch zusagt.«
»Ich wusste, dass ich mich auf Euch verlassen konnte. Wäre ich der Dame auf der Straße begegnet, so hätte ich nicht erraten, dass sie eine filette …« Monsieur Blanchard hielt errötend inne.
»Ihr meint damit, dass sie einem gewissen Gewerbe nachgeht?«
Monsieur Blanchard nickte dankbar. »Wie kam sie dazu?«
»Verarmte Familie. Ihr Vater ist früh gestorben. Sie ist nach Paris geflohen, um den Misshandlungen ihrer Mutter zu entfliehen. Bei den Spinnerinnen und Näherinnen war keine Stelle frei, so stand sie eines Tages vor der Tür meiner Mutter.«
Monsieur Blanchards Röte wich einer Blässe. »Das arme Kind. Das wusste ich nicht.« Er griff nach dem Dekanter. »Einen Wein, Monsieur? Beaune, wenn ich mich recht entsinne.«
Jean-François nickte geistesabwesend. Er fragte sich, wie Monsieur Blanchard auf der einen Seite so gefühlvoll und teilweise naiv sein konnte, auf der anderen Seite jedoch sehr hart war, wenn es um sein Geschäft ging.
Monsieur Blanchard goss Wein ein. »Warum arbeitet Ihr nur nachts?«
»Eine Gewohnheit aus alter Zeit.«
»Die Ihr ablegen solltet, wollt Ihr in unserem Geschäft dauerhaften Erfolg haben.«
»Ich praktiziere dies schon so lange, dass ich keine Sonne mehr vertrage.«
»Dann gewöhnt Euch wieder daran.«
Jean-François seufzte. »Wenn dies so einfach wäre.«
Blanchard nippte an seinem Wein. »Tut, was Ihr für richtig haltet, doch wundert Euch nicht über die Folgen. Die Kunden erwarten Präsenz bei Tage.«
Aus alter Gewohnheit griff auch Jean-François nach dem Glas vor ihm. »Bevor ich es vergesse: Dieses Haus in der Rue Mouffetard sollte einen Keller haben. Das ist mir überaus wichtig.« Er setzte das Glas an.
Monsieur Blanchard lächelte. »Dies dürfte keine Schwierigkeit darstellen. Viele der Häuser in La Mouffe besitzen Keller, die von den alten Steinbrüchen stammen. Die Steinbrüche sind Euch doch ein Begriff?«
Jean-François verschluckte sich an seinem Wein.
Kapitel 5
14. September 1560
Jean-François lächelte zufrieden. Monsieur Blanchard hätte Makler werden können. Tatsächlich fand er recht schnell ein Haus in der Rue Mouffetard, das Jean-François Ansprüchen gerecht wurde. Es besaß eine Hintertür zu einem kleinen Garten. Unter dem Haus befand sich ein Keller, das Teil eines Steinbruchs war. Schwere Türen verhinderten ein unbefugtes Eindringen von außen. Er war also sicher dort unten.
Jean-François hatte sich ein kleines Arbeitszimmer eingerichtet, in dem er an den Abenden Kunden und Geschäftspartner empfing. Dank Monsieur Blanchard, aber auch durch viel eigenes Engagement, hatte er sich ein Netz aus Kontakten aufbauen können.
Der Erfolg kam trotz seiner Nachtarbeit schneller als erwartet.
Er setzte sich nieder an den Tisch und breitete einen Bogen Papier vor sich aus. Zu lange hatte er es hinausgezögert. Es war nicht mehr lange bis zu Célestes Geburtstag Ende September.
Er tauchte den Rabenfederkiel in die Tinte und schrieb Worte, die ihm überaus schwer
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