Wolfsmondnacht (German Edition)
kann ich ja jetzt gehen, als illoyaler, nicht standesgemäßer Hurensohn.« Jean-François wandte sich um, doch Pamina hielt ihn auf, indem sie seinen Arm festhielt.
»So meinte ich das nicht.«
»Wie dann?«, fragte er.
»Dass du mein extremes Pflichtgefühl vielleicht nicht verstehst. Ich wurde von Kind an dazu erzogen.«
»Was ich verstehe oder nicht musst du schon mir überlassen. Aber jetzt lass mich gehen.« Er versuchte, ihre Hand abzustreifen, doch sie hielt seinen Arm unerbittlich fest.
»Wir sehen uns doch wieder?« Unsicherheit klang in ihrer Stimme mit. Trotz der Tränen in ihren Augen hielt sie seinem Blick stand.
Er sah sie verwundert an. »Ich verstehe dich nicht. Warum sollte ich mich einem Weib treffen, das im Begriff ist, einen anderen zu heiraten?«
»Ich habe keine Wahl, wie du weißt. Doch wir könnten Freunde sein.«
»Warum? Damit es mir ständig eine Qual ist, dich zu sehen, doch zu wissen, dass du für mich unerreichbar bist? Oder um den Argwohn deines Mannes zu erregen?«
Pamina schwieg. Einem inneren Impuls folgend streckte er streckte seine Hand nach ihr aus und berührte sachte ihre Wange. »Liebst du deinen Werwolfkönig?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr Haar schwang im Rhythmus ihrer Bewegung. »Nein. Es ist eine rein politische Verbindung und wird wahrscheinlich niemals mehr als das sein.« Sie senkte ihren Kopf. Ihr Gesicht war halb verdeckt von ihrem Silberhaar. »Doch er ist ein guter Mann.« Als sie den Blick hob, glänzten ihre Augen vor ungeweinten Tränen. »Jean-François, ich werde dich niemals vergessen.«
»Ich auch nicht, ma fleur de lune .« Leider , dachte er.
»Ich liebe dich, Jean-François.« Sie warf sich in seine Arme. Als er ihren Leib an dem seinen spürte, umfing er sie, als sei es das erste und das letzte Mal in einem. Verdammtes Weib. Herzensdiebin. Seelenräuberin.
»Ich liebe dich, Pamina.« Seine Stimme klang rau, ihm selbst fremd. All die zurückgehaltenen Gefühle drängten aus ihm heraus. In der Brust war ihm so schwer und heiß, als bräche sie jedem Moment entzwei unter dem Schlagen seines zerberstenden Herzen.
Pamina ließ von ihm ab und sah ihn an durch den Schleier ihrer Tränen. »Manchmal muss man eine Wahl treffen, bei der man nur verlieren kann, egal wie man sich entscheidet.« Sie strich sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich kann mein Volk nicht allein lassen. Ich bin es ihm aufgrund meiner Geburt schuldig. Wir haben es schwer, anders zu sein, stets verfolgt von den Menschen. Nun muss ich meinen Weg beschreiten, zum Wohle meines Volkes.« Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch noch einmal nach Jean-François um.
»Ich liebe dich, Jean-François, ich liebe dich wirklich. Doch nun muss ich von dir lassen, auch wenn ich nichts anderes lieber täte, als für ewig in deinen Armen zu liegen. Es fällt mir unendlich schwer, glaube mir. Es reißt mich innerlich entzwei, doch ich muss es tun.« Ihre Stimme bebte. Er vernahm den Schmerz darin, der in ihrem Inneren tobte.
Ihr Haar war wie gesponnenes Silber im Mondlicht. Es entging ihm nicht, dass ihre Schultern bebten und auch seine Tränen kannten kein Halten mehr. Er spürte die blutigen Rinnsale, die seine Wangen zeichneten. Er musste fürchterlich aussehen, doch Pamina wich nicht vor ihm zurück. Ein letztes Mal fanden sich ihre Lippen.
Ihr Kuss brannte noch auf seinem Mund, als er seine Abschiedsworte an sie richtete.
» Au revoir , Pamina, ma fleur de lune. Je t’aime. « Jean-François, erschüttert bis auf dem Grund seiner Seele, ging davon. Paminas letzte Liebesbeteuerung verhallte in der Nacht. Nur ihr leises Weinen folgte ihm noch eine Weile, bis er sich in die Lüfte erhob.
Wiedergefunden und dennoch verloren hatte er sie, auf ewig verloren, seine wilde Göttin, seine Waldnymphe. Niemals würde er diese Nacht vergessen, auf ewig eingefroren in der Zeit. Er wandte sein blutüberströmtes Gesicht dem Nachthimmel zu und erblickte die Vergangenheit in längst erloschenen Sternen. Er schrie seinen Schmerz in den Wind, hinein in den Sturm, den er entfachte und der ihn mit sich riss. Dieser rasende Flug zerstob auch diese Geräusche und bald vernahm er nichts mehr als das Sausen der Höhenluft und den Schlag seines gebrochenen Herzens.
Kapitel 8
Am nächsten Abend
Die Nacht war noch jung, als Jean-François bei Tante Camilles Haus eintraf. Camille schöpfte Wasser vom Brunnen. Sie stellte die beiden schweren Eimer vor sich ab und wischte sich mit dem
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