Wolfsmondnacht (German Edition)
Entsetzen aufgerissenen Augen anstarrte. Das Blut des loup-garou s erkaltete auf seiner Haut und begann zu gerinnen.
Jean-François zog die verdorbene Kleidung aus und wusch sich am nahen Bach. Das Wasser färbte sich rot vom Blut. Es roch süßlich, kupfrig und die Erinnerung daran, wie es dem loup-garou entströmt war, erschien wieder lebhaft in Jean-François’ Geist.
Er entstieg dem Wasser und sah Jacques, der ihn die ganze Zeit beobachtete. Dessen Angst konnte er bis hierhin riechen. Selbst den Geruch nach Alkohol, der ihn umgab, vermochte dies nicht zu übertönen. Jean-François entnahm seiner Truhe frische Kleidung und zog sie über seinen noch feuchten Leib.
Wenig später war er wieder zu Pferde und ritt durch die Nacht. Es entging ihm nicht, dass Jacques den Wagen weiter zurückfallen ließ, um Abstand zu halten. Solange er den Wagen heil nach Siena brachte, war es Jean-François jedoch gleichgültig.
Wochen später
Das Haus von Antoines Schwester lag unweit der Piazza del Campo in jenem Stadtdrittel, das man Terzo di San Martino nannte. Jean-François betätigte den bronzenen Türklopfer. Antoines Schwester Valerie Mascarello öffnete ihnen die Tür höchstselbst. In der Hand hielt sie eine Talglampe.
Sie lächelte. » Bona sera .« Ihr französischer Akzent war ihr geblieben nach all den Jahren in der Ferne.
Jean-François erwiderte den Gruß. Auch Jacques, den sie offenbar kannte, grüßte sie. Jean-François betrachtete sie von der Seite, als sie seinen Reisegefährten und ihn ins Haus geleitete. Sie besaß dieselben feinen Züge wie ihr Bruder, die gleichen Augen und das dunkle Haar. Doch das ihre war von feinen Silbersträhnen durchzogen. Sie trug es hochgesteckt. Nur eine Locke hatte sich gelöst.
»Ich zeige Euch Eure Räume. Folgt mir bitte.« Valerie schritt voran durch den halbdunklen Gang. Das Licht der Talglampe warf tanzende Schatten an die Wände. Sie öffnete eine Tür. »Dies hier ist Euer Zimmer, Jean-François. Ich darf Euch doch Jean-François nennen?«
Er nickte. » Oui , Madame.«
Sie wandte Ihren Blick zu Jacques. »Ihr nehmt wieder Euren alten Raum am Ende des Ganges.« Sie sah wieder Jean-François an. »Ich habe noch Suppe. Ihr seid sicher hungrig und müde von der Reise.«
Jean-François lächelte sie an. »Vor allem müde.«
»Ihr braucht ihm nichts anzubieten«, sagte Jacques. »Er isst nichts. Er isst nie etwas.« Er grinste hämisch.
»Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.« Jean-François bedachte ihn mit einem warnenden Blick.
»Und er ist nicht müde, Madame. Er schläft nachts nicht, sondern bei Tag«, sagte Jacques in verschwörerischem Tonfall. »Ihr habt Euch den Teufel ins Haus geholt, Madame Mascarello. Scheucht ihn zurück über Eure Schwelle.«
Valerie blinzelte verwirrt. »Wovon sprecht Ihr?«
Jacques deutete auf Jean-François. »Er ist der Teufel. Seht Ihr nicht, dass er keinen Schatten hat.«
»Er hat sehr wohl einen Schatten. Jacques, wir kennen uns sehr lange und Ihr habt schon häufiger Waren für meinen Bruder transportiert, doch in der letzten Zeit sprecht Ihr dem Wein mehr zu, als es Euch zuträglich ist.«
»Ich bin nicht betrunken. Ich weiß, was ich gesehen habe. Er hat mit einem Dämon gerungen, ihm seinen Willen aufgezwungen.«
Valerie schüttelte ungläubig den Kopf. »Es ist besser, Ihr geht jetzt schlafen, Jacques.«
»Sagt nicht, ich habe Euch nicht gewarnt. Bonne nuit, Madame .« Er drehte sich um und ging in das Zimmer am Ende des Gangs.
Valerie schenkte Jean-François ein Lächeln, das ihn sehr an Antoine erinnerte. »Jacques war schon immer ein wenig seltsam. Ihr solltet es ihm nicht übel nehmen.«
Sie kramte einen Schlüssel aus ihrer Rocktasche. »Dies ist der Schlüssel zum Hintereingang, falls Ihr nachts weggehen möchtet. Jacques hat ebenfalls einen, denn ich gehe stets früh zu Bett.«
Das geht ja fast zu einfach , dachte er.
»Merci, Madame. Bonne nuit .« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Es ist schön, einen Landsmann hier zu haben. Zu selten höre ich unsere Sprache. Ich befürchte fast, sie zu verlernen nach all den Jahren. Bonne nuit , Monsieur. Ruhet wohl.« Sie zog sich in einen Raum ihm gegenüber zurück. Auch Jean-François betrat sein Zimmer. Er war schlicht gehalten, doch in den Details erkannte er das Werk eines Weibes.
Ein Strauß Rosen stand auf dem Tisch. Dunkelrote Rosen, wie er sie schätzte. Eine Waschschüssel und ein Krug mit Wasser befanden sich daneben und ein Tuch hing über
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