Wolfsmondnacht (German Edition)
Händen und fiel auf den Holzboden, wo der verdünnte Wein eine hellrote Lache bildete. Laurent wollte sich danach bücken, fiel jedoch nieder. Pamina beugte sich über ihn.
»Luft! Ich bekomme keine Luft«, sagte er und riss am Halsteil seines Hemdes. Ein Krampf schüttelte seinen Leib.
In diesem Moment stieß jemand die Tür auf. Pamina erkannte eine der Dienerinnen, die erstarrt im Türstock stand und auf die heftig zuckende Gestalt ihres Königs blickte. Unter dem Entsetzensschrei der Dienerin ging Paminas Ruf nach einem Arzt unter.
»Einen Arzt! Holt einen Arzt!«, rief Pamina, während viele loup-garous sich vor der Schlafzimmertür sammelten. Pamina griff nach Laurents Hals, fühlte das ungewöhnlich starke Pulsieren seiner Adern. Doch es wurde rasch unregelmäßig und schwächer.
Ein rothaariger Mann drängte sich durch die Menge der Gaffer. Vor Laurent kniete er sich nieder, um ihn zu untersuchen. Die Zuckungen dessen Leibes verebbten. Nur einen Augenblick später hob sich sein Brustkorb ein letztes Mal.
Pamina schluchzte auf. »Oh, mon dieu , wie konnte das geschehen? Laurent, oh, Laurent!«
Der Arzt sah sie an. »Vermutlich wurde er vergiftet. Was hat er zuletzt zu sich genommen?« Der Blick des Arztes fiel auf den umgefallenen Weinkelch.
Die Dienerin deutete auf Pamina. »Sie ist eine Mörderin. Sie hat den König getötet. Sie war es. Seht hier, den Kelch!«
Pamina griff sich mit einer verzweifelten Geste an die Kehle. »Ich habe ihn nicht getötet.«
Die Dienerin schüttelte den Kopf. »Ich habe es selbst gesehen.«
»Das ist nicht wahr.«
»Die Indizien sprechen gegen Euch. Ihr werdet in Sicherheitsverwahrung genommen,«, sagte der Arzt.
»Gattenmord. Wie abscheulich!« Die Dienerin verzog angewidert das Gesicht.
Er und ein weiterer Mann ergriffen sie bei den Armen. Pamina wand sich, schaffte es jedoch nicht, sich zu befreien.
»Ihr werdet ihr doch nicht mehr glauben als mir, der Königsgemahlin. Ich habe ihn nicht getötet.«
Die Männer reagierten nicht auf sie, sondern schleppten sie mit sich durch das Haus über den Hof bis zum Turm. Anstatt die Stufen hinauf zu erklimmen, brachten sie sie nach unten in den Kerker, der sich unter der Erde befand.
Die Wachen verschlossen die Gittertür hinter ihr und verschwanden. Nicht einmal eine Talglampe oder eine Fackel ließen sie ihr. Es roch abgestanden und modrig. Eine kühle Feuchte regierte dieses unterirdische Reich. Es war ein fensterloses Loch. Nur durch schmale Luftschlitze drang ein wenig Mondlicht in das Gewölbe. Es roch nach Moder und sie vernahm das Trippeln unzähliger kleiner Pfoten.
Die Tage vergingen. Pamina verlor jegliches Zeitgefühl. Man brachte ihr Hirsebrei, Wasser, manchmal ein wenig Gemüse, doch nur wenig Fleisch, das so wichtig für sie war.
Keineswegs hatte sie sich vor, sich einem Fehlurteil zu beugen. Selbst vor dem Henker würde sie die Ungerechtigkeit herausschreien - im Angesicht des Todes eine Mahnung hinterlassen, die nachhallen sollte, selbst wenn ihr Leib längst zerfallen war. In dieser Geisteshaltung wartete sie auf das Urteil.
Pamina dämmerte vor sich hin, als endlich jemand die Stufen herabschritt. Drei Männer in dunkelgrüner Kleidung waren es. Sie befreiten sie aus dem Kerker und führten sie hinauf. Obwohl es Nacht war, musste Pamina blinzeln, denn ihre Augen waren kein Licht mehr gewohnt.
Lange war Pamina nicht mehr auf einer Tagung des Tribunals gewesen. Nur in führerlosen Zeiten galt ihm die Allmacht, die sonst nur dem König zustand, dem sie zur Beratung dienten.
Die drei Ältesten des Volkes begaben sich in die Mitte des Platzes zwischen den Bäumen, die ihr Reich begrenzten. Pamina erkannte Thetis sofort. Ihr hüftlanges Haar war so weiß wie ihr Gewand. Ihre Haut war wettergegerbt und von einem Muster aus Linien durchzogen. Thetis besaß eine Schönheit, die sich der Zeit entzog und so unvergänglich, wie die Ewigkeit selbst war.
Thetis trat vor auf den von den Regenfällen der Jahrhunderte geglätteten Stein, der dem Rat als Podium diente.
»Wir haben uns heute hier versammelt, um über die Geschicke Paminas, Tochter von Raoul, Tochter von Penelope, Zweitgeborene, die des Mordes an ihrem Ehegatten, unserem König Laurent beschuldigt wird. Was habt Ihr dazu zu sagen?« Thetis’ Stimme klang tief, klar und unerwartet jung.
Pamina trat vor das Podest und hob ihren Blick zu den drei Ältesten. »Ich bin nicht schuldig.«
Daidalos, der Rote, trat neben Thetis. Sein Gewand war lang und
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