Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsmondnacht (German Edition)

Wolfsmondnacht (German Edition)

Titel: Wolfsmondnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Lynn Morgan
Vom Netzwerk:
Meute, der Ähnlichkeit mit Émile hatte? Jean-François kam nicht dazu, genauer hinzusehen. Er rannte und hielt nicht inne, bis ihre Schritte und Schreie leiser wurden und schließlich entschwanden, bis er nichts mehr hörte als seinen eigenen Atem und die Geräusche der Nacht.
     
    Keine Hoffnung, nur Verzweiflung verspürte Jean-François. Er schüttelte langsam den Kopf, innerlich müde und ausgebrannt im Geiste und sah Antoine Blanchard an, dessen Haus er nach der geglückten Flucht vor der Meute aufgesucht hatte.
    »Aber das kann ich nicht«, sagte er leise. Seine eigene Stimme erschien ihm wie die eines Fremden.
    »Es ist wirklich das Beste.« Antoine blickte ihn ernst über die brennende Kerze auf seinem Schreibtisch hinweg an.
    »Paris ist mein Herz und meine Seele. Hier wurde ich geboren und soll hier eines Tages mein Ende finden.«
    »Gewiss nicht so früh.«
    Jean-François lachte freudlos. »Nicht, dass ich die Absicht hätte. Aber wenn ich weggehe, wer kümmert sich dann um meine Geschäfte? Ist es nicht eine Flucht? Ich will nicht fliehen. Bisher habe ich mich immer allen Schwierigkeiten gestellt.« Fast immer , dachte er. Vor der Meute war er geflohen. In diesem Fall hatte es nichts mit Feigheit zu tun.
    »Es wäre zu deinem eigenen Schutz, denn man konnte die Urheber der Einbrüche nicht feststellen. Die Polizei steht vor einem Rätsel.«
    »Sie kümmert sich um nichts.«
    »Du solltest etwas nachsichtiger sein, Jean-François. Sie ist völlig überlastet.«
    »Pah! Ich bin für sie nichts als ein kleiner Händler zweifelhafter Herkunft.«
    »Ein sehr erfolgreicher Händler, wären diese Überfälle nicht. Du hast hier mächtige Feinde. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum ich dir vorschlage, nach Siena zu gehen. Vor einem Jahr ist mein Schwager gestorben. Meine Schwester hat Schwierigkeiten, ihr Geschäft allein zu führen. Es hängt einfach zu viel daran. Bisher ist es uns nicht gelungen, jemanden zu finden, der vertrauenswürdig und kompetent zugleich ist. Verkaufe dein Haus in La Mouffe und führe meine Geschäfte im Ausland. Willst du nicht die Welt sehen? Hast du nie den Ruf der Ferne vernommen?«
    Jean-François starrte in das blaue Herz der Flamme. Das Kerzenlicht flackerte. Hielt ihn wirklich etwas hier? Seine Mutter war tot, Estelle hatte ihn verraten und Céleste war in Dôle.
    »Ich möchte mein Geschäft nicht schon wieder schließen, kaum, dass ich es gegründet habe«, sagte Jean-François.
    »Das kann ich verstehen, doch willst du zusehen, wie deine unbekannten Feinde dich ruinieren?«
    Jean-François schüttelte den Kopf. »So nahe bin ich dem Ruin nicht.«
    »Noch nicht.«
    »Es wäre eine Flucht. Ich bin kein Feigling.«
    »Es ist keine Feigheit, sich auf das Machbare und Pragmatische zu verlegen. Ich brauche dich. Meine Schwester braucht dich. Noch immer hast du Schulden. Dies ist die Gelegenheit, dich ein für alle Mal davon zu befreien und danach neu anzufangen.«
    »Ich werde darüber nachdenken. Doch da ist noch Suzettes Haus. Ich kann es nicht aufgeben.«
    »Das musst du nicht. Dennoch verstehe ich nicht, warum du es nicht verkaufen willst.«
    »Ein Schwur, den ich meiner Mutter geleistet habe.«
    »Behalte es, wenn du musst. Doch blicke nicht nach hinten, auf die Straße hinter dir, sondern sieh mich an. Was willst du, Jean-François? Was ist dein größter Wunsch?«
    Jean-François starrte ihn an, sah in diese kastanienbraunen Augen, die rötlich erschienen im Kerzenlicht und forschte nach dem tiefsten Wunsch seines Herzens.
    »Alles«, sprach er schließlich. »Freiheit, Liebe, Erfolg. Ich will die Schulden abbezahlen, ein Geschäft führen, ein Haus, ein Heim haben und jemanden, der mein Leben mit mir teilt, den ich lieben kann und der mich liebt, wie ich bin, mit all den Abgründen meiner Seele.«
    Antoine sah ihn an über die Kerzenlichter hinweg an.
    »Paris stand nicht auf deiner Liste. Deine Wünsche kannst du dir an jedem Ort dieser Welt erfüllen. Du musst ja nicht für immer dort bleiben. Du bist noch jung, viel jünger als ich es bin. Du hast Zeit.«
    » Oui , ich habe Zeit. Viel Zeit.« Viel mehr Zeit, als du dir vorstellen kannst und dennoch treibt mich nach wie vor der Gedanke, dass es jeden Moment vorbei sein könnte.
    »Es kommt nicht auf die Zeit an, die man hat, sondern jene, die man nutzt.«
    »Wohl wahr, mon ami .« Antoine goss sich einen Chablis ein. »Auch ein Glas?«, fragte er. »Ah, ich vergaß, du trinkst keinen Wein mehr. Darf ich dir ein

Weitere Kostenlose Bücher