Wolfsruf
Melden Sie sich sofort bei Captain Sanderson. Es gibt Ärger.«
Scott Harper starrte missmutig auf die offene Tür der Messe, hinter der der Sergeant Major wieder hinaus in den Schnee stapfte. »Scheiße! Ich hab noch nicht einmal Zeit gehabt, zwei Schluck Whisky zu trinken«, sagte er zu Zeke, dem Scout, mit dem er sich gleich nach seiner Ankunft in Fort Cassandra vor wenigen Tagen angefreundet hatte.
Zeke grunzte. »Tu bloß deine Uniform gerade richten, Lieutenant«, riet er. »Sanderson nimmt’s da höllisch genau.«
Sie gingen hinaus und über den Hof. Es war Mittag, aber der Himmel war grau. Seit Scott vor zwei Wochen angekommen war, hatte es ununterbrochen geschneit. Hinter der Mauer stiegen dünne Rauchsäulen aus den Tipis der Crow-Scouts. Das Klingen eines Schmiedehammers durchdrang die Luft. Irgendwo im Fort übte ein Trompeter. Ab und zu war ein falscher Ton zu hören.
Scott hatte nicht erwartet, dass es mitten im Dakota-Territorium so langweilig sein würde. Außer den Crow-Scouts hatte er in den letzten zwei Wochen keinen einzigen Indianer zu Gesicht bekommen, und die Crows waren kaum mit den legendären, prächtigen Sioux oder Cheyenne zu vergleichen, über die er so viel gehört hatte. Meistens saßen die Soldaten herum und froren sich den Hintern ab, oder Sanderson ließ sie bis zum Umfallen exerzieren. Zeke war sein einziger Freund. Sie hatten kaum etwas gemeinsam. Aber Zeke, der sonst nie einen Ton sagte, mochte offenbar den Lieutenant, obwohl der sein Sohn hätte sein können, und erzählte ihm ständig irgendwelche Schauergeschichten über seine Zeit bei den Indianern.
Sie klopften an die Tür mit dem Schild Capt. James Sanderson. Sie wurden hineingerufen, und dann stand Scott vor dem Captain hinter seinem Schreibtisch; auf dem Stuhl gegenüber saß eine Frau, die mit sorgenvollem, gramerfülltem Blick unter ihrer Haube hervorschaute.
»Das ist Mrs Bryant«, sagte der Captain und kratzte sich am Bart. »Ihr Ehemann wird vermisst. Ich möchte, dass Sie beide der Sache nachgehen.«
»Jawohl, Sir«, antworteten Zeke und Scott gleichzeitig.
»Erklären Sie es den beiden Herren«, forderte Sanderson die Frau ungeduldig auf. Er schien bereits das Interesse an dieser Angelegenheit verloren zu haben; stattdessen blätterte er in einem dicken, ledergebundenen Buch. »Wo genau haben sie Ihren Ehemann zum letzten Mal gesehen?«
»Er ist Goldgräber, Captain. Seit fast zwei Jahren gräbt er in den Hügeln. Vor zwei Wochen ist er ganz allein nach Osten, zum Flint Rock Creek. Er hatte’ne Karte. Er wollte niemanden mitnehmen. Er hat gesagt, er würde in ein paar Tagen wieder zurück sein. Ich hab ihm gesagt, da gibt’s keine Goldadern, aber er hat gesagt, er sucht keine Ader. Der alte Cavanaugh hat sein ganzes Gold versteckt, bevor er starb, hat er gesagt. Ich hab versucht, Eddie aufzuhalten, aber er war wie besessen. Er sah so komisch aus, das Goldfieber hat mich aus seinen Augen angeblitzt. Ich hab Angst gekriegt. Deshalb bin ich hergekommen, weil ich Hilfe holen will. Ich hab eine Abschrift von der Karte. Herrgott, er hat mir verboten, dass ich irgendwem davon erzähle. Aber er hat gesagt, wenn er nach drei Tagen nicht wieder da ist, soll ich nach ihm suchen.« Sie zog ein Papier heraus. Es war der Werbezettel eines Händlers für neue und gebrauchte Gewehre. Auf der Rückseite war eine grobe Skizze des Landes östlich von Fort Cassandra aufgezeichnet. Die Frau breitete die Karte auf Captain Sandersons Schreibtisch aus, und die Männer versammelten sich darum.
Zeke studierte die Karte und sog hörbar die Luft ein. »Captain,
das ist im Sioux-Territorium. Die Goldgräber dürfen nicht weiter als bis hier.« Er zog mit seinem abgekauten Fingernagel eine Linie über das Papier. »Er hat bekommen, was er verdient hat, schätz’ ich. Verzeihung, Madam.«
»Das war eine äußerst taktlose Bemerkung, Sullivan. Wie Sie wissen, ist es unsere Aufgabe, die Siedler und Goldgräber zu beschützen.« Der Captain blickte Zeke und Scott streng an.
»Sir«, wandte Scott halbherzig ein, »ist es nicht auch unsere Aufgabe, darauf aufzupassen, dass der Vertrag eingehalten wird? Zwischen uns und den Indianern meine ich. Wir dürfen diese Grenze nicht überschreiten, ohne …«
»Wenn ich Ihre Meinung wissen will, dann frage ich Sie danach, Mister!«, schnitt ihm Sanderson das Wort ab. Er funkelte Scott böse an und erkundigte sich dann unvermittelt: »Warum haben Sie nur acht Knöpfe an Ihrem Rock?«
Scott
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