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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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ich etwas sagen, Captain?«, bat Zeke.
    »Sprechen Sie, Scout.«
    »Sir, die Sioux haben gar nichts getan, was Sie und ich nicht auch getan hätten. Diesmal nicht. Niemand kann ihnen zumuten, dass sie bloß von dem madigen Fleisch und dem schimmligen Zwieback leben, den die Regierung ins Reservat schicken tut.«
    Der Captain trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte. Scott begriff langsam, dass sie ohne jede Rechtfertigung ein Indianerdorf überfallen würden. Er war hier, weil er von Ruhm und Abenteuern geträumt hatte, aber es war bestimmt nicht besonders ruhmreich, ein paar wehrlose Kinder niederzumetzeln. Er erinnerte sich an die alte Frau im Wald und das leise Lied, mit dem sie den Wolf beruhigt hatte - diesen verdammten Wolf, der einfach nicht sterben wollte. Nichts schien hier zu stimmen.
    »Ist etwas, Lieutenant?«

    »Sir, ich …«
    »Zweifellos sind Sie nervös vor dem bevorstehenden Kampf, mein Sohn. Das ist ganz natürlich. Wenn Sie erst die Trompetenfanfare und die Schreie hören, werden Sie jede Furcht verlieren, das verspreche ich Ihnen. Übrigens habe ich nichts dagegen, wenn sich die Soldaten auch die Frauen vornehmen, solange sie diskret dabei vorgehen und die Opfer sofort beseitigen. Verstanden? Ich will nicht, dass mir in ein paar Jahren lauter Bastarde in der Landschaft herumlaufen.«
    Scott musste bleich geworden sein, denn der Captain milderte seinen strengen Tonfall ein bisschen. »Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, Harper, dann scheuen Sie sich nicht, sie mir anzuvertrauen.«
    »Sir«, meldete sich Zeke zu Wort, »wer erklärt Mrs Bryant, dass sie Witwe ist?«
    »Das werde ich übernehmen, Sullivan«, sagte der Captain. »Seien Sie unbesorgt. Ich werde taktvoll sein; ich werde ihr die grausamen Einzelheiten dieser Barbarei ersparen. Das Gold, das Sie gefunden haben, wird ihr ein schwacher Trost sein, aber es wird ihr die Suche nach einem neuen Gatten erleichtern …«
     
    Sie schlenderten zum Vorratsladen. Ein paar Soldaten hatten sich um sie gescharrt, hofften, alles über ihr Abenteuer zu erfahren. Scott wurde bewusst, dass die Witwe ganz bestimmt in allen blutigen Details erfahren würde, wie ihr Ehemann von den Indianern gefangen genommen und zugerichtet worden war. Die Stimmung im Fort war düster. Die Männer wollten Blut. Sie würden niemals die Wahrheit glauben.
    »Was sollen wir tun, Zeke?«
    »Wir betrinken uns«, antwortete Zeke. »Das ist der beste Rat, den ich dir geben kann, mein Junge. Wenn man dir befiehlt, ein Dorf niederzubrennen und die Frauen und Kinder zu töten, dann solltest du das möglichst nicht nüchtern tun.«

4
    Bayern
    Zwei Tage vor Vollmond
     
    Im Zug von London und auf der Fähre über den Kanal sprach der Junge kein Wort. In Frankreich bat er nur in regelmäßigen Abständen um etwas zu essen oder zu trinken. Ihr Wohltäter hatte ihnen Karten für die zweite Klasse gekauft; Speranza war froh darüber, denn sie hatte schon Gelegenheit gehabt, in der dritten Klasse zu fahren, und wusste, dass es dort eng und kalt und voller unangenehmer Menschen war.
    Als sie an die deutsche Grenze kamen, stiegen die beiden Priester, die mit ihnen im Abteil gesessen hatten, aus. Die Laune des Jungen schien sich ein bisschen zu bessern. Es gab nicht viel zu sehen, außer den schneebedeckten Feldern und ab und zu einem kleinen Bahnhof mit einem schmiedeeisernen Schild und einer kleinen Bank. Speranza beschloss, dass es am besten war, einfach abzuwarten. Der Junge fürchtete sich einfach vor allem; das wusste sie bereits, denn jedes Mal, wenn sie ihn berühren wollte, zuckte er ängstlich zurück, als stünde sie in Flammen.
    Ein paar Kilometer nach der deutschen Grenze fragte der Junge: »Haben Sie auch Spiele dabei, Mademoiselle?«
    Wenigstens, dachte sie, bietet er mir einen Anfang, trotzdem darf ich nicht allzu vertraut mit ihm werden; ich habe ihn nur noch ein paar Tage. Und im Geiste sah sie Michael Bridgewaters erschütternd kleinen Sarg in der Erde versinken. Auch damals hatte Schnee gelegen.
    »Speranza«, sagte sie zu ihm, um ihn daran zu erinnern, dass sie Gefährten, keine Gegner waren. Sie öffnete eine Schachtel, die Quaids Leute ihr gegeben hatten und auf der Spielsachen stand; sie enthielt, wie sie sah, ein Päckchen Karten, ein Backgammon-Brett und ein Leiter-Spiel. »Sollen wir das spielen?«,
fragte sie, holte es heraus und stellte es auf dem Sitz zwischen ihnen auf. Endlose Schneefelder zogen an ihnen vorbei. Das Spiel war nicht auf Karton

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