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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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war vollkommen überrascht. Er machte ein paar Schritte zurück. »Ich weiß nicht recht, Sir. Einer muss lose gewesen sein oder so.«
    »Lieutenant, die Vorschriften besagen: ›Der Rock wird mit neun Knöpfen geschlossen, die in regelmäßigem Abstand angebracht sind.‹ Sie haben einen Knopf zu wenig, Harper, und die restlichen sind ganz bestimmt nicht in regelmäßigem Abstand angebracht. Ich möchte das nicht noch einmal sehen. Werden Sie nicht unverschämt. Vergessen Sie nicht, Sie sind nur Brevet -Lieutenant.«
    »Sir.« Offensichtlich konnte ihn der Captain nicht leiden. Er würde sich zusammennehmen müssen. Es würde nicht leicht werden. Zu Hause in Missouri sprachen die Leute alles aus, was ihnen durch den Kopf ging.
    »Ich möchte, dass Sie beide diese Karte nehmen und versuchen, Mrs Bryants Ehemann aufzuspüren. Gehen Sie behutsam vor. Sie werden sich im Feindesland befinden. Versuchen Sie, keinen Schaden anzurichten.«

    Einen ganzen Tag ritten sie bereits durch den Schnee. Die Furt über den Sulphur Creek war zugefroren. Die Pferde schlitterten über das Eis. Sie hatten vier Pferde, zwei zum Reiten, eines für die Ausrüstung und eines für den Leichnam.
    Am Bachufer standen Eichen, blattlos und schneebeladen; in der Ferne, am Hügel, erhoben sich kleine Fichtenhaine, verlorene grüne Flecken im Weiß. Der Wind hatte aufgefrischt, aber der Schneefall hatte nachgelassen; vereinzelt riss sogar die Wolkendecke auf und gab den Blick frei auf einen überraschend dunkelblauen Himmel. Sie stiegen ab und führten die Pferde eine Weile am Zügel, kauten Dörrfleisch, während sie sich durch den manchmal hüfthohen Schnee arbeiteten. Zeke schwieg fast die ganze Zeit. Scott fragte sich, wie ein Mensch es aushielt, so lange still zu sein. Er fragte den Scout, aber er kannte Zekes Antwort bereits:
    »Hab’s von den Indianern gelernt.«
    »Meinst du, Bryant ist von ihnen …«
    »Vielleicht. Bleib aufmerksam.«
    Es war Nacht, sie lagerten und ritten im Morgengrauen weiter.
    Sie führten ihre Pferde durch den Wald entlang verschlungener Pfade, die immer wieder von gestürzten Kiefern versperrt waren. Nach ein paar Stunden hielt es Scott nicht mehr aus; er musste reden. »Warum sollte jemand seinen Skalp für so eine blöde Karte riskieren? Rund um das Lager gibt es jede Menge Gold.«
    »Und jede Menge anderer Goldgräber«, antwortete Zeke. »Pst. Hör mal.«
    Knurren. »Ein Wolf?«
    »Es ist Tag. Wölfe kommen in der Nacht. Nein. Irgendjemand folgt uns.«
    »Scheiße!«, flüsterte Scott. »Und will uns fertigmachen.«
    »Vielleicht nicht. Tu so, als würdest du keine Angst haben. Und schieß erst, wenn ich’s dir sage.«

    Scott legte seine Hand auf den elfenbeinverzierten Colt, den ihm sein Vater überlassen hatte. Er betastete die geschnitzten Initialen auf dem Griff, und er erinnerte sich daran, dass sein Vater die Waffe während des letzten Krieges benutzt hatte.
    Ungefähr hundert Yards vor ihnen lag eine mit Fichten umstandene Lichtung. Zeke ritt in die Mitte, zog sein Gewehr unter dem Sattel hervor und feuerte in die Luft. Dann rief er: »Toki ya la hé? Echâ! Chiktepi kte lo!«
    »Was, in Dreiteufelsnamen … willst du uns umbringen?«
    Zeke drehte sich um und flüsterte eindringlich: »Sie wissen, dass wir da sind. Also sollen sie auch wissen, dass wir keine feigen Squaws sind. Vielleicht lassen sie uns ja in Ruhe. Oder sie geben uns wenigstens eine faire Chance. Sanderson glaubt vielleicht, dass die Indianer bloß Wilde sind, aber sie haben tausendmal mehr Ehre im Leib als er. Also mach dich bereit, Junge, und schau möglichst wild. Die Indianer legen viel Wert aufs Aussehen.«
    Scott atmete tief durch, zog seinen Revolver und wartete. Der Wind wirbelte den Schnee auf und nahm ihm die Sicht. In unregelmäßigen Abständen feuerte Zeke sein Gewehr ab und brüllte neue Beleidigungen. Jeden Augenblick würden sie von kreischenden Wilden umringt sein. Scott wartete angespannt, nervös in der beißenden Kälte. Ich hätte den Colt gegen eine moderne Waffe tauschen sollen, dachte er mit Unbehagen.
    Etwas bewegte sich.
    Scott feuerte instinktiv. Ein helles Jaulen drang durch den pfeifenden Wind - ein ganz und gar unmenschlicher Laut. Im Weiß rührte sich etwas, etwas Silbergraues - es jagte aus den Fichten heraus auf ihn zu. Er feuerte noch einmal. Es war ein Wolf, es war die ganze Zeit ein Wolf gewesen - ein riesiger Wolf - Zeke hatte sich geirrt! Der Scout starrte eine Sekunde lang mit offenem Mund auf das

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