Wolfsruf
knarrte. Ein Tierschrei war über dem Stampfen der Lokomotive und dem metallischen Schlagen der Kupplung zu hören. Überall um sie herum war Wald.
Sie fuhren bergab. Sie atmete tief ein und machte einen großen Schritt, suchte hektisch nach einem Geländer. Wieder hörte sie Geheul. So nah - es schien fast aus dem Zug selbst, nicht aus dem Wald zu kommen.
Sie spähte in den Salonwagen des Grafen. Schwarze Vorhänge hingen vor den Fenstern. »Lassen Sie mich herein!«, schrie sie und hämmerte mit den Fäusten gegen das Glas.
Abrupt wurde die Tür geöffnet. Sie fiel in absolute Dunkelheit.
Sie hörte, wie hinter ihr die Tür zugeschlagen wurde. Sie war absolut blind. Die Luft war stickig und stank. Sogar das Fenster am Dachaufsatz war verhängt worden. »Graf …«, flüsterte sie.
»Sie sind gekommen.«
Seine Stimme klang anders, rau. Sie stand am Eingang. Sie sah nichts, überhaupt nichts.
»Kommen Sie näher, Speranza. Haben Sie keine Angst. Die vollkommene Dunkelheit verzögert die Transformation ein klein wenig. Sie sehen, dass ich mir große Sorgen um Ihr Wohlergehen mache.«
Sie zögerte. Der Gestank war betäubend, er deckte einen
subtileren Geruch zu, einen seltsam erregenden Geruch. Sie stand mit dem Rücken an der Tür. Das Rütteln des Zuges kitzelte sie. Sie schwitzte. Und sie sah immer noch nichts. Aber sie hörte ihn atmen - atmen - atmen.
»Sie machen den Jungen verrückt«, flüsterte sie. »Auch wenn Sie mich bezahlen, kann ich nicht …«
»Sie sind nicht hergekommen, um mit mir über Geschäfte zu sprechen, Speranza. Oder irre ich mich?«
Der Geruch durchdrang sie - sie spürte ein Kratzen in ihrer Kehle - und eine Bewegung, eine dunkle Bewegung an ihren Röcken - »Nein, Graf …«, stöhnte sie leise und gestand sich endlich ihre Gelüste ein.
Etwas Pelziges fuhr unter ihren Rock. Es berührte ihre Schenkel. Es war brennend heiß. Sie wimmerte. Die Hand streichelte sie, verbrannte sie - bewegte sich unaufhaltsam auf ihre Schamgegend zu - liebkoste sie jetzt, und sie schrie vor Schmerz auf, aber hinter dem Schmerz war Wollust, und Hitze schoss durch ihren Körper, als sie erschauerte, als ihr Körper im Einklang mit den Bewegungen des Zuges zu vibrieren begann - »Das dürfen Sie nicht … Das können Sie nicht …«, verteidigte sie sich. Etwas Feuchtes spielte an ihren Schamlippen herum, und sie spürte, wie sich die Feuchtigkeit aus ihrem Inneren mit Schweiß und Speichel vermischte. Ich muss ihm widerstehen, dachte sie, sonst bin ich entehrt - trotzdem machte sie keine Anstalten, sich zu wehren, denn das Feuer brannte in ihren Nerven und Adern …
Die Hände wanderten weiter, wurden brutaler. Etwas riss ihre Schenkel auf - sie stöhnte bei dem scharfen Schmerz -, waren das Klauen oder Hände? Meine Einbildung spielt mir Streiche, dachte sie. Dieser Irrsinn steckt mich an. Jetzt riss der Stoff. Sie spürte, wie heißes Blut sich unter die anderen Flüssigkeiten mengte. »Nein«, schluchzte sie und versuchte, sich vorsichtig loszureißen, »nein, tun Sie mir nicht weh.« Der Graf antwortete nicht mit Worten, sondern mit einem Knurren.
Sie versuchte, ihm zu entkommen, aber die Hände packten ihre Schenkel noch fester. Sie konnte nichts sehen, überhaupt nichts, aber der Waggon roch nach Moschus und Schlamm und feuchtem Laub, die Luft war feucht und schwer von dem Aroma von Brunft und Tierpisse. Endlich gelang es ihr, sich zu befreien. Sie tastete sich an der Wand entlang. Die Wand war klamm, wie eine Erdgrube - ihre Füße rutschten über den matschigen Boden -
Ich träume!, fuhr es ihr durch den Sinn. Weil es hier so dunkel ist, deshalb bekomme ich Halluzinationen -
Jetzt berührte ihre Hand etwas Weiches. Vorhänge. Ich muss Licht hereinlassen, dachte sie. Sie zog an dem Samt. Ein Splitter Mondlicht durchschnitt die Dunkelheit und -
Die Stimme des Grafen, kaum menschlich: »Das hätten Sie nicht tun dürfen … nicht das Licht … Ich werde mich verwandeln, verwandeln …«
Der Vorhang glitt ganz zurück, und das Mondlicht, das sich in den glitzernden Schneefeldern brach, strömte in den Waggon.
Der Graf - sein Gesicht - seine Nase streckte sich zu einer Schnauze. Fassungslos beobachtete sie, wie er sich veränderte. Auf seiner Wange sprossen Stoppeln. Seine Zähne wurden länger, sein Mund weitete sich, bis die schaumbedeckten Kiefer einer Bestie ihr gegenüber waren. Die Augen - leuchtend gelb jetzt, Schlitze, unversöhnlich. Seine fellbedeckten Hände schrumpften zu
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