Wolfsruf
Form einer Blume war.
Der Diener erklärte: »Falls Sie beschließen sollten, im Dienst des Grafen zu bleiben, werden Sie auch dieses Zeichen tragen. Dieses arme Dienstmädchen allerdings … der Junge kannte offenbar das Siegel nicht … der Graf war untröstlich. Er hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die Familie zu trösten und ihren Schmerz zu lindern …«
»Lindern?«, fragte Speranza, die wieder vor sich sah, wie der kleine Johnny aus den Eingeweiden des Mädchens gekrabbelt war - nein, es war kein Traum gewesen, das wusste sie jetzt. »Er hat zugelassen, dass sie ermordet wurde … auf grausamste, entsetzlichste Weise! … und er ist untröstlich?«
»Der Graf ist nicht ohne Mitleid«, sagte der Diener, »sonst würden seine Angestellten nicht seit Generationen in seinen Diensten stehen, so wie meine Familie.«
»Es ist aber doch seltsam«, überlegte Speranza, »dass ein so blutrünstiger Haushalt ein so schönes Siegel hat, wie eine Blume …«
»Es gar nicht so seltsam, Mademoiselle. Diese Blume wird von jenen, die auf beiden Seiten des Waldpfades wandeln, gefürchtet und verehrt … man nennt sie Wolfsbann.«
13
Deadwood
In derselben Nacht
»Nein! Keine weiteren Verwüstungen mehr, Cousine!« Vishnevsky zog die silbernen Ketten straffer. Nur die Kerze verbreitete ihr schwaches Licht über den Raum, aber auch die würde er gleich ausblasen. Der Mond ging bald unter, aber er wollte kein Risiko mehr eingehen. »Ich möchte dich nicht einmal ansehen.« Er fürchtete, belauscht zu werden, und sprach deshalb Russisch; er wusste, dass sie das ordinär und unverschämt finden würde, aber die augenblickliche Situation duldete keine Rücksicht auf jene Etikette, die den Menschen zu Hause vielleicht am Herzen lag.
Natalia knurrte. Ihre Augen glitzerten. »Du hast mir den jungen Lieutenant nicht geschickt.«
»Wir sollen uns unter diese entsetzlichen Leute mischen, nicht sie verspeisen.«
»Er ist ein hübscher junger Kerl, nicht wahr? Ich bin halb verliebt und sehr hungrig.« Gereizt fuhr sie fort: »Warum hast du ihm die Silberkugel gegeben? Jetzt werde ich mein Gesicht nie wieder zeigen können. Sie hat meine Wange gestreift.«
»Wenn der Graf doch nur Quaid geschickt hätte! Es ist sehr schwierig, mit diesen Menschen zurechtzukommen … sie denken nicht wie zivilisierte Leute, und ich fürchte immer, dass ich versehentlich etwas über den Grafen ausplaudern könnte. Und dann bist du noch da … eine Last, eine ständige Bedrohung. Was ist, wenn sie dein Geheimnis lüften?«
»Mein törichter Cousin«, höhnte Natalia. In ihrer Stimme war noch der leise Anflug eines Knurrens zu hören. »Du weißt, warum Hartmut mich geschickt hat. Ich werde den Siedlungsort unserer kleinen Kolonie bestimmen. Denn ich werde den nächsten Wurf austragen. Nur ich kann entscheiden, wo wir lagern.«
»Du glaubst also, dass du die auserwählte Begleiterin des Grafen bist?« Vishnevsky wusste, dass der Graf seit dem Tod der Gräfin ein Dutzend Geliebte gehabt hatte, aber keine davon hatte den Namen von Bächl-Wölfling tragen dürfen. Der Graf schien nicht fähig, sich eine Gefährtin zu küren, doch der Lykanthropenverein brauchte eine weibliche Führerin, denn in einem Wolfsrudel durfte nur die Braut des Leitwolfs werfen, und nur sie konnte den Lagerplatz des Rudels bestimmen. Das war unter diesen Wesen Gesetz. »Ich glaube nicht, Cousine, dass du in dieser Position bleiben wirst. Vor allem in Anbetracht deiner bedauerlichen … Entstellung.«
Natalie wollte sich aufsetzen und zerrte mit den Handgelenken an den Ketten. Er zuckte zusammen, als er sah, wie sich auf ihrem bleichen Fleisch Brandmale bildeten.
Sie spie ihm entgegen: »Du hast das alles arrangiert! Du möchtest, dass ich in Ungnade falle. Dann kannst du mich endlich verlassen und nach Hause zurückkehren. Gib dich nicht der Illusion hin, mein lieber Cousin, dass sie dich im Dorf wieder aufnehmen … du bist befleckt … dazu verdammt, uns den Rest deiner Tage zu dienen … du trägst die Blume der Knechtschaft auf deinem Handrücken wie alle unsere Diener!«
»Ich verneige mich vor Eurer lykanthropischen Hoheit«, erwiderte Vishnevsky ironisch; er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Aber als sein Blick auf seine rechte Hand fiel, die sich um den Kerzenhalter krampfte, da fühlte er jene absolute Hoffnungslosigkeit, die alle Sklaven von Zeit zu Zeit empfinden.
»Ich weiß, dass du mich hasst, Cousin. Ich weiß, dass du versucht hast,
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