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Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Titel: Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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nicht mehr geküsst worden, und so wie von Ian … noch nie.
    „Du musst dich von diesem Kerl fernhalten, Grace.“
    Das Geräusch einer Tür, die geschlossen wurde, zerriss die Stille, die seinen Worten gefolgt war. Die Dusche lief nicht mehr. Ich hatte keine Ahnung, wie lange schon.
    Cal schaute stirnrunzelnd nach oben, dann zurück zu mir. Ein Ausdruck des Begreifens trat in seine Augen, noch bevor Ian Walker die Treppe herunterkam.
    Sein Haar war nass, sein Hemd nicht zugeknöpft. Die Krawatte hing lässig um seinen Hals, das Jackett über seinem Arm. Seine Füße waren nackt. Von meinem Standort aus konnte ich seine Sandalen neben der Hintertür sehen.
    „Allmächtiger, Grace“, entfuhr es Cal.
    „Ich wusste es nicht.“
    „Du wusstest was nicht?“, fragte Ian und blieb auf der fünftuntersten Stufe stehen.
    Cal öffnete den Mund, und ich versetzte ihm mit dem Ellbogen einen Stoß zwischen die Rippen. Er zuckte nicht mal zusammen – sein Bauch war hart wie Stahl – , aber er hielt den Mund.
    „Danke, dass du den Streifenwagen vorbeigebracht hast“, sagte ich, ohne Ian aus den Augen zu lassen. „Wir sehen uns auf dem Revier.“
    Cal zögerte, bevor er Ian einen vernichtenden Blick zuwarf, die Haustür öffnete und energisch hinter sich zuknallte, was vermutlich der heftigste Gefühlsausbruch war, den ich je bei ihm erlebt hatte – es sei denn, man ließ seine Reaktionen auf die Chuck-Norris-Witze gelten.
    Ian kam die restlichen Stufen herunter. „Was ist denn los?“
    Ich musterte sein Gesicht, suchte nach irgendetwas, ohne zu wissen, wonach. Gewöhnlich blitzte auf der Stirn eines Mörders nicht wie durch ein Wunder ein scharlachrotes M auf. Leider. Es würde die Strafverfolgung deutlich erleichtern.
    „Dachtest du, wir würden es nicht herausfinden?“, schleuderte ich ihm entgegen.
    Er runzelte die Stirn. „Was herausfinden?“
    „Dass deine Frau gar nicht tot ist, Ian!“
    Er zuckte zusammen, als ob ich ihn geschlagen hätte. „Du hast meine Vergangenheit überprüft?“
    „Du hattest mich dazu aufgefordert.“
    „Nur, was meine Referenzen betrifft.“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Das ging Hand in Hand.“
    „Es ist nicht so, wie es scheint.“
    „Du meinst, ich habe nicht mit dem Ehemann einer anderen Frau geschlafen?“ Eine Welle der Übelkeit erfasste mich. Ich hatte genügend eheliche Auseinandersetzungen, genügend zerstörte Familien erlebt und mir hoch und heilig geschworen, niemals der Auslöser dafür zu sein. Und hier stand ich nun.
    „Ich bin schon seit fünf Jahren kein Ehemann mehr. Ich weiß, dass sie tot ist.“
    Argwöhnisch starrte ich ihn an. „Wie kannst du da so sicher sein?“
    „Sie ist spurlos verschwunden. Sie kam nie zurück; sie hat nie geschrieben; sie hat nicht angerufen. Heutzutage verschwinden Menschen nicht mehr auf diese Weise, Grace.“
    „Du wärst überrascht.“
    Die Jägersucher waren Experten darin, Menschen spurlos verschwinden zu lassen. Mir ging durch den Sinn, dass Ians Frau Opfer irgendeines Monsters geworden sein könnte. Eine weitere Frage an die große und mächtige Dr. Hanover.
    „Ich dachte, dass du um sie trauerst. Dass … “ Meine Stimme brach vor Enttäuschung. Ich hatte mir eingebildet, dass er wegen mir wieder Freude am Leben empfand. Ich hatte gewusst, dass dieser Mann mich verletzen würde, nur hatte ich nicht so früh damit gerechnet.
    „Das habe ich“, versicherte er. „Das tue ich noch immer. Ich habe sie geliebt, und sie … “ Er stieß eine leise Verwünschung aus und fuhr sich mit den Fingern durch sein feuchtes Haar. „Sie hat mich verlassen, weil sie mich nicht genug liebte. Hast du eine Vorstellung, wie sich das anfühlt?“
    Die hatte ich. Meine Mutter hatte mich im Stich gelassen. Sie hatte mich nicht genug geliebt. Ich suchte sie noch heute in jeder dunkelhaarigen, grünäugigen Frau, die durch Lake Bluff kam.
    Ich ballte die Fäuste, um den Anflug von Mitgefühl zu verjagen, der sich in mein Herz zu schleichen drohte. Dass ich Verständnis für seinen Schmerz aufbrachte, hieß nicht, dass ich ihm vergeben konnte oder würde. Er hatte mich angelogen, zumindest in die Irre geführt, was die Formulierung „gegangen“ betraf. Wahrscheinlich hätte ich ihn an dem Tag mit weiteren Fragen löchern sollen, doch galt dergleichen nicht als unhöflich, wenn man von einer toten Ehefrau sprach, selbst wenn sie gar nicht tot war? Die Gebote der Höflichkeit hatten mir nie ganz eingeleuchtet.
    „Verschwinde“,

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