Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten
gab ihm Noah, der sich mit demselben Vertrauen, das er mir entgegengebracht hatte, an Ians Brust kuschelte.
Er trug Noah nach draußen. Claire schenkte vier Gläser ein, reichte mir meines, dann nippte sie an ihrem.
„Ich habe es vermasselt“, gab ich zu.
„Und wie. Trau dich das bloß nie wieder.“
„Ja, Frau Bürgermeisterin.“
Ihre blauen Augen wurden schmal. „Ich dachte, wir wollten uns wieder vertragen.“
„Du hast recht. Aber manchmal kann ich mein loses Mundwerk einfach nicht im Zaum halten.“
„Du wolltest sagen, meistens“, konterte sie. „So, jetzt weih mich ein, was da in unserer Stadt geschieht, aber zuerst bring den Jungs ihre Drinks nach draußen.“
Sie reichte mir ein Fläschchen für Noah, das ich in meine Tasche steckte, bevor ich mir die beiden anderen Weingläser schnappte. Mal und Ian sahen zu den Bäumen, die das Grundstück umsäumten, genossen den Sonnenuntergang und sprachen über …
„ NASCAR “, wiederholte ich ungläubig.
Mal zuckte die Achseln. „Ich mag schnelle Autos.“
„Und du?“, fragte ich Ian.
„Was kann man daran nicht mögen?“
Noah spuckte seinen Basketball-Schnuller direkt in Ians Gesicht. Der fing ihn auf, bevor er zu Boden fallen konnte, und legte ihn auf den Tisch. Er schien wirklich ein Händchen für Kinder zu haben.
In der Erwartung, dass Ian Noah seinem Vater übergeben würde, damit der ihn fütterte, stellte ich das Fläschchen zwischen den beiden Männern ab, doch sie plauderten unverdrossen weiter über irgendwelche Rennfahrer, von denen ich noch nie gehört hatte. Ich konnte Autorennen nicht ausstehen, was vermutlich daran lag, dass meine Brüder kaum etwas anderes geguckt hatten. Runde um Runde um Runde. Rums, Knall, Wusch. Schnarch.
Ich ging zu der Glasschiebetür, die die Küche von der Terrasse trennte, dann drehte ich mich gerade rechtzeitig noch einmal um, um mitzubekommen, wie Ian Noah in seiner Armbeuge positionierte und ihm die Flasche in den Mund steckte, als hätte er das schon hundertmal gemacht.
Meine Brust krampfte sich zusammen; meine Augen wurden heiß, und ich musste mich abwenden, bevor ich mich blamieren würde. Das Bild löste in mir ein Verlangen aus, das nichts mit nackten, verschlungenen Körpern zu tun hatte. Es war eine Sehnsucht, die weitaus gefährlicher war.
Überstürzt hastete ich nach drinnen, wo ich mit Claire zusammenstieß, die ihn auch beobachtete. Unsere Blicke trafen sich. „Man könnte ihm unbedenklich seine Kinder anvertrauen.“
„Dumm nur, dass er schon jemandem anvertraut ist.“
„Er ist verheiratet?“
„So geht das Gerücht.“
Claire richtete die Augen wieder auf ihn. „Er wirkt gar nicht verheiratet.“
„Wie wirkt man denn verheiratet?“
„Man tut es einfach.“ Sie drückte mir mein Weinglas in die Hand, das sie entgegen jeder einer Südstaatenschönheit geziemenden Vornehmheit bis zum Rand vollgegossen hatte.
Claire und ich hatten uns schon immer mächtig ins Zeug gelegt, um gegen derlei Konventionen zu verstoßen. Ich nahm einen langen Schluck, anstatt geziert zu nippen; sie folgte meinem Beispiel, dann stießen wir an und lehnten uns gegen die Küchenzeile, während ich ihr die Neuigkeiten erzählte.
„Eine Rabenspötterin“, sinnierte sie. „Das ist doch mal eine hübsche Abwechslung.“
„Das waren die Werwölfe auch, trotzdem haben wir das Problem in den Griff bekommen.“
Sie prostete mir zu. „Und jetzt ist diese Kreatur zu den Jungen, den Starken, den Gesunden übergegangen?“
„Ja.“ Ich trank noch einen Schluck von meinem Wein.
Doc Bill hatte gegen Mittag meine Befürchtung bestätigt. Auch Ben Fitzhugh hatte kein Herz in der Brust gehabt.
„Vielleicht sollten wir Elise noch mal kontaktieren.“ Claire sah zur Terrasse, wo die Männer noch immer kameradschaftlich beisammenstanden. „Um zumindest herauszufinden, was sie über diesen anderen Geheimbund weiß.“
Da ich der Dame ohnehin die Meinung geigen wollte, rief ich sie an.
„Was können Sie mir über die Nighthawk Keetoowahs sagen?“, überfuhr ich sie, sobald sie abgehoben hatte. Ich konnte eine Begrüßung genauso problemlos überspringen wie sie.
„Er hat es Ihnen erzählt“, folgerte Elise. „Interessant.“
„Sie haben behauptet, nichts über ihn zu wissen.“
„Ich sagte, dass er nicht in meinen Daten über paranormale Übeltäter auftaucht.“
Ich fragte mich, ob sie von seiner Angewohnheit, adleräugig zu werden, wusste, dann entschied ich, dass ich nicht
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