Wolfstage (German Edition)
gewohnt eifrig. »Zwei Leute
aus dem Kurs wohnen nicht mehr hier, einer –«
»Rufen Sie zunächst mal an, wen Sie kriegen können, und klären Sie,
wenn irgend möglich, wer nach dem Kurs noch Kontakt zu Kati hatte«, schnitt ihm
Johanna eilig das Wort ab. »Fragen Sie auch, ob es mal Ärger gegeben hat.
Auffälligkeiten und so weiter. Nur den Rolf Mansloh lassen Sie bitte außen vor.
Um den möchte ich mich nachher selbst kümmern.«
»Wird gemacht. Was ich noch –«
»Denken Sie bitte auch an die Infos über die Tagungsstätte im
Reitlingstal?«
»Na klar … eine Sache noch …«
»Ja?«
»Apropos Bogenschießen. Ich habe gerade mit Kollege Nabold über
diesen Pfeil gesprochen.«
Johanna hielt inne. »Aha. Und?«
»Na ja, das ist schon merkwürdig. Nabold hat sich daran erinnert,
dass die Funke seinerzeit behauptete, der Wolf, den sie im Elm gefunden hatte,
sei mit einem Pfeil getötet worden.«
Johanna zog eine Augenbraue hoch. »Wie bitte?«
»Ja, das klang ziemlich verrückt, und sie gewann nicht gerade an
Glaubwürdigkeit, als sich herausstellte, dass es den Kadaver gar nicht gab.
Hörte sich verdammt nach Funkes üblicher Spinnerei und Hysterie an, aber jetzt …«
»Ja, jetzt sollte man zumindest noch mal nachhaken«, ergänzte
Johanna. »Ich versuche, die Funke gleich noch mal zu erreichen.«
»Hab ich schon. Sie ist nicht zu Hause.«
»Schicken Sie eine Streife vorbei. Oder fahren Sie selbst hin.«
»Meinen Sie, dass das wirklich nötig ist?«
»Sie hat gesagt, dass sie sich bedroht fühlt, oder?«
»Ja, schon …«
»Na bitte. Und sagen Sie mir Bescheid.«
***
Nach ihrer Rückkehr kümmerte sich Emilie als Erstes um
Flow und stieg dann unter die Dusche. Sie hatte die Autoschlüssel schon in der
Hand und wollte gerade die Tür öffnen, um nach Königslutter zur Polizei zu fahren
und Anzeige zu erstatten, als sie plötzlich innehielt.
Es hat doch gar keinen Sinn, dachte sie und ließ die Hand wieder
sinken. Die werden mich angucken, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im
Schrank. Ohne eindeutige Beweise werden sie nicht mal jemanden rausschicken.
Tote Wölfe in irgendeiner Höhle in der Nähe des Großen Tafelberges – auf
solchen Irrsinn konnte doch nur die verrückte Journalistin aus Bornum kommen!
Und selbst wenn ihre Angaben stimmten – wen interessierte das schon?
Emilie ging mit langsamen Schritten zurück in die Küche, setzte sich
an den kleinen Tisch unter dem Fenster und trank ein Glas Wasser. Der Einzige,
der vielleicht weiterhelfen könnte, war Tibor. Er hatte eine beeindruckende
Fotoausrüstung. Ob er allerdings Lust haben würde, tote Wölfe abzulichten, war
eine ganz andere Frage.
***
Es ging ziemlich hektisch in Gertrud Kreislers
Buchhandlung zu. Samstagvormittag war offensichtlich eine umsatzstarke Zeit.
Schön für Kreisler, dachte Johanna und sah dem unruhigen Treiben eine Weile zu,
bevor sie eintrat und die resolute Geschäftsfrau, die gerade einen Kunden
verabschiedete, auf sich aufmerksam machte. Kreislers Miene signalisierte
Zurückhaltung, als sie sich ihr zuwandte.
»Mit Ihnen hatte ich so schnell nicht mehr gerechnet«, sagte sie
statt einer Begrüßung und verschränkte die Arme vor der Brust.
Johanna war klar, dass Kreisler ihr die zögerliche, leicht
belustigte Reaktion auf den Pfeil nachtrug, und bemühte sich um ein verbindliches
Lächeln. »Vielleicht suche ich ja lediglich ein gutes Buch und möchte mich von
Ihnen beraten lassen.«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte Kreisler, ließ aber immerhin
die Arme wieder sinken.
»Was genau – dass ich ein gutes Buch suche oder mich von Ihnen
beraten lassen möchte?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
Johanna hatte gehofft, ihr ein Lächeln zu entlocken, aber offensichtlich
war es um Kreislers Humor nicht zum Besten bestellt. Oder meine Sprüche waren
schon mal besser. Johanna seufzte und trat beiseite, als sich zwei junge Frauen
an ihr vorbei zur Kasse durchschlängelten.
»Hätten Sie noch mal fünf Minuten Zeit für mich?«
Gertrud Kreisler hob die Hände. »Sie sehen ja, was hier los ist. Es
wäre mir lieber, wenn Sie –«
»Und mir wäre es lieber, wenn Kati gar nicht verschwunden wäre und
ich ein freies Wochenende hätte«, unterbrach Johanna sie. »Im Übrigen befindet
sich der Pfeil bereits im kriminaltechnischen Labor.«
Die Buchhändlerin hob das Kinn. »Tatsächlich?«
»Ja, Ihr Hinweis könnte sich unter Umständen doch als wichtig
erweisen«, fügte Johanna hinzu.
»Also
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