Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
halbwegs geschafft, Leone zu beruhigen. Aber der ist reif, wenn Sie mich fragen.»
«Danke, Tommasini. Du kannst in die Questura zurückfahren und dich um deine Ablösung kümmern. Bis die hier ist, werden wir bei Leone bleiben.»
Tommasini war offensichtlich sehr erleichtert, enteilte innerhalb weniger Sekunden. Als Laura gleich darauf hinter Guerrini die Eingangsstufen der Villa hinaufstieg, stolperte sie vor Erschöpfung, fühlte sich gleichzeitig hellwach und seltsam aufgeregt. Der Fall Altlander hatte Besitz von ihr ergriffen.
Die Tür wurde erst geöffnet, als Guerrini seinen Ausweis durch den Briefschlitz gesteckt hatte.
«Entschuldigen Sie, Commissario», erklärte der breitschultrige bärtige Mann, der endlich aufmachte. «Fagioli, Benedetto Fagioli, ist mein Name. Aber wir sind solche Situationen nicht gewohnt, meine Frau und ich. Zuerst haben wir gedacht, dass Enzo übertreibt – aber ich habe den schwarzen Wagen auch gesehen. Er ist sogar zweimal hier vorbeigefahren, ganz langsam. Wenn der Sergente nicht bei uns gewesen wäre, dann hätten wir alle drei die Flucht ergriffen. Ich habe schon Freunde in Rom angerufen …»
«Es tut mir leid, dass Sie solche Schrecken durchmachen müssen, Signor Fagioli. Und es ist sehr verdienstvoll, dass Sie sich Enzo Leones angenommen haben …»
«… und des Hundes!», sagte eine ironische Stimme am Ende des Korridors.
«Meine Frau Anna!» Der große Mann mit dem dunklen Vollbart wies auf eine blonde Frau, die jetzt schnell auf sie zukam und ihre Hände schüttelte.
«Schön, dass Sie da sind. Mir reicht das Babysitten allmählich. Er ist kein besonderer Held, unser Enzo!»
«Na ja, sei nicht so streng, Anna. Ich hab mal einen amerikanischen Film gesehen, da wurde auch jemand von einem dunklen Auto verfolgt. Das war ziemlich unangenehm, sogar im Kino.»
«Hat Signor Leone irgendwas gesagt … irgendeinen Hinweis darauf, wer in dem schwarzen Wagen sitzen könnte?» Guerrini lächelte der blonden Frau zu, und sie lächelte zurück, warf mit einer schnellen Kopfbewegung ihr langes Haar zurück.
«Nein, Commissario. Er jammert nur die ganze Zeit, dass er ganz bestimmt das nächste Opfer des unbekannten Mörders sein wird. Ich finde das ein bisschen albern, wenn Sie mich fragen. In dieses Haus kommt so schnell keiner rein. Wir haben Gitter vor den Fenstern, und außerdem sitzt ein Polizist vor der Tür.» Ihr Italienisch war nicht ganz so weich wie das der Einheimischen, aber ziemlich gut. Man hätte es für einen Dialekt der ligurischen Küste halten können.
«Sie sind Deutsche, nicht wahr?», fragte Laura.
«Sagen Sie nicht, dass Sie es an meiner Aussprache erkannt haben!», flehte Anna Fagioli und lachte gleichzeitig. «Ich habe es immerhin geschafft, dass die Gemüsehändler auf dem Markt mich nicht mehr auf Deutsch ansprechen.»
«Nein, es liegt nicht an Ihrer Aussprache. Sergente Tommasini erwähnte es. Ich bin auch Deutsche. Ermittlungshilfe für den Commissario. Und ich wiederhole seine Frage auf Deutsch: Hat Signor Leone irgendwas gesagt, das auf den Fahrer des schwarzen Wagens hindeuten könnte?»
«Nein, er ist nur völlig aus dem Häuschen und will unbedingt weg. Ich nehme an, dass die Situation wirklich ein bisschen gefährlich ist, sonst hätte Enzo wohl keinen Personenschutz bekommen, oder?»
«Ein bisschen», bestätigte Laura. «Aber nicht so gefährlich, wie Signor Leone befürchtet.»
Anna Fagioli lehnte sich an ihren Mann. «Siehst du, ich habe es geahnt. Ist Giorgio wirklich ermordet worden, oder sind das alles Gerüchte, die von den Medien verbreitet werden?»
«Er ist wirklich ermordet worden. Aber würden Sie uns jetzt bitte zu Enzo Leone bringen. Es ist sehr wichtig.»
Benedetto Fagioli nickte und wies ihnen den Weg zur Treppe. Laura fielen große Holzskulpturen auf, die in Wandnischen standen – Madonnen und Heilige zuhauf. Fagioli bemerkte ihren erstaunten Blick.
«Wir restaurieren Skulpturen und Gemälde. Unser ganzes Haus ist voller Kunstwerke, weil die Werkstatt zu klein geworden ist. Gehen Sie nur allein hinauf. Zweite Tür rechts. Und keine Sorge, der Hund ist im Garten.»
Die Stufen waren aus dunklem Holz, das Geländer schlicht, nur an wenigen Stellen mit ein paar Schnörkeln verziert. Auch im ersten Stock standen Skulpturen herum, und Laura fragte sich, ob all diese Märtyrer, Wundertäter und göttlichen Wesen den Bewohnern des Hauses noch Luft zum Atmen ließen. Neben der zweiten Tür rechts lehnte eine
Weitere Kostenlose Bücher