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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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Uhr unterwegs, hatte eine oder zwei Stunden Fußweg zu irgendeinem Markt unternommen, den ganzen Tag um ein paar Pennys gekämpft und wollten nun ihren Spaß haben. Einige machten sich auf in eine Schankstube, um dort bei Schieb-den-Penny oder Wirf Drei das sauer verdiente Geld zu verlieren. Andere packten ihre Karten aus und spielten Cribbage .
    Bernard kroch unter seine Decke und betete. Gott im Himmel – es waren seit dem Degenstich doch nicht einmal vierundzwanzig Stunden vergangen.
    Meggy wischte ihm mit einem feuchten Tuch die Stirn ab.
    Wache Phasen lösten sich ab mit Alpträumen und immer war der Schmerz da, ein teuflisches Pochen, das seinen ganzen Körper erfasst hatte.
    Würde er sterben müssen?
    Oder schlimmer noch - würde er seinen Arm verlieren?
    Auf diese Frage antwortete Meggy nicht, aber ihre Augen sprachen deutliche Worte. Ja, er würde!
    »Wann?«, wisperte Bernard.
    »McPurs hat so was schon mal gemacht.«
    Übelkeit stieg in Bernard hoch. »Gibt es keinen richtigen Arzt, der sich um mich kümmern kann?«
    Der Bretterverschlag, der als Tür diente, wurde zur Seite geschoben. Dandy kam herein. Neben ihm trottete ein alter Kerl, den Bernard hier noch nie gesehen hatte.
    »He, Berny! Deine Probleme sind erledigt. Ich hab‘ jemanden mitgebracht. ´N richtigen Doc.« Dandy baute sich vor Bernards Lager auf. Meggy verscheuchte die Neugierigen, die den hageren Alten umlagerten.
    »Kann ich nicht bezahlen«, stöhnte Bernard.
    »Kein Problem, Berny. Wir haben ’n Deal gemacht. Erzähl‘ ich dir später. Das is‘ Monsieur Margite.« Dandy grinste stolz.
    »Sie schickt der liebe Gott«, seufzte Bernard. »Soeben habe ich noch ...«
    »Pssst«, machte der Franzose ein entsprechendes Zeichen und kniete neben Bernard nieder. »Strengen Sie sich nicht an!«
    »Er is‘ Spielzeugmacher«, sagte Dandy.
    »Ich denke, er ist Arzt?« Bernard verstand nichts mehr.
    »Ich war einmal Arzt, bevor ich ... Pech hatte«, sagte Monsieur Margite. »´eute mache ich Spielzeug aus Papiermache. Ich kann Ihnen, wenn Sie wollen, das größte Tier der Welt aus Papier und Papiermache machen, wasserdicht und so, daß es nie zerbricht.«
    Was mochte Dandy diesem Kerl geboten haben? Kein Mensch mit ein paar Schilling in der Tasche betrat ein Haus in der Park Lane freiwillig.
    Bernard schwirrte der Kopf und wie ein wildes Tier überfiel ihn eine neue Schmerzwelle. Er keuchte und bäumte sich auf. Der Alte legte seine kalte Hand auf Bernards Stirn und nickte stumm.
    »Eine Stichwunde, haben Sie gesagt?« Er blickte zu Dandy hoch.
    »Im Arm«, sagte Dandy.
    »Oh, da ist ja der Verband.« Er hatte die Decke zurück geschlagen. »Lassen Sie mich das Mal‘eur sehen.«
    Bernard stieß zischend den Atem aus. Verdammt, war sein Arm schon verfault?
    »Sehr schlimm, Monsieur, sehr schlimm.«
    »Nehmen ... Sie ... mir meinen ... Arm ab?«, keuchte Bernard.
    Der Alte schwieg.
    »Sagen Sie mir die Wahrheit, Mann!«
    Der Alte runzelte die Stirn. »Die Leute hier sollen verschwinden.«
    Einige knurrten, gehorchten dann aber doch.
    »Sie bleibt«, wies Bernard mit seinem linken Arm auf Meggy.
    Der Alte lächelte. »Oui.«
    »Also, Doktor! Was wird aus meinem Arm?« Tränen schossen Bernard in die Augen. Sein Körper verkrampfte sich und Nebel hüllten ihn ein.
    »Warten Sie, Monsieur. Meine Augen sind nicht mehr die besten ... ich muß mir erst ein Bild machen!« Er tastete nach Bernards Puls.
    Wo waren die Männer, die ihn festhalten würden, wenn die Säge seinen Knochen zerschnitt? Wer hatte Schnaps besorgt, um die schlimmste Pein zu betäuben? Konnte er diesem Franzosen vertrauen? Was, wenn er nur ein alter Spinner war, der in seiner Papiermachewelt verrückt geworden war? Brechreiz stieg in Bernard auf. Nein, er war nie ein Feigling gewesen, aber was war er wert ohne seinen rechten Arm? Er würde für den armseligen Rest seines Lebens ein Krüppel sein, mit einer eiternden Wunde an seiner rechten Schulter.
    »Wenn der Arm weg muss, Monsieur, wird es mit wenigen Schmerzen abge‘en«, las der Alte Bernards Gedanken. Er blinzelte verschwörerisch. »Man nennt das Mittel Chloroform und ich habe etwas davon zu ‘ause. Sie schlafen für eine Weile ein und wenn’s vorbei ist, wachen Sie wieder auf. Oui ... die Zeiten haben sich geändert.«
    Vorsichtig öffnete er den schmutzigen Verband und begutachtete den Stich.
    »Der Arm bleibt dran, Monsieur! Die Schmerzen sind stark, aber für eine Amputation wäre es noch viel zu früh.

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