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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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fuhr los.

23
    Als ich so heftig weinte, dass ich vor Tränen die Straße nicht mehr sehen konnte, hielt ich an. Ich befand mich etwa drei Kilometer außerhalb von Northside, am Fuße des Old Scolder Mountain. Vermutlich hatte ich von vornherein vorgehabt, eine Runde zu laufen, aber bewusst wurde mir das erst jetzt.
    Es ist schon lustig: In der Großstadt verlässt man einfach das Haus, wenn man spazieren gehen will, um seinen Kopf freizubekommen. Wenn man Rasen unter den Füßen haben möchte, läuft man in den nächsten Park. Aber hier auf dem Land, wo ich von Natur umgeben war, wurde ich fast überall von Schildern darauf hingewiesen, dass das Betreten für Unbefugte verboten sei.
    Ich zog mir eine gefütterte Jacke, die im Wagen lag, über den Pulli und den schwarzen Rock. Meine weichen Lederschuhe waren zwar für eine Wanderung nicht geeignet, doch das störte mich weniger als meine bohrenden Kopfschmerzen, die zuerst als leichter Druck an den Schläfen begonnen hatten und sich nun allmählich zu einer ausgewachsenen Migräne entwickelten.
    Ich kletterte aus dem Auto und lief los. Erst als ich an zwei orangefarbenen Pfeilen vorbeigekommen war, wurde
mir klar, dass ich einen Rundgang gewählt hatte, der nicht den Berg hinaufführte. Ich kehrte also auf demselben Weg wieder zurück und begann zwischen zwei leuchtenden roten und goldenen Ahornbäumen mit dem Aufstieg. Die anderen Bäume waren schon zur Hälfte entlaubt. Nach fünf Minuten geriet ich ins Keuchen. Ein junger Mann mit Bart und Golden Retriever kam mir entgegen und lächelte mir zu, als wir aneinander vorbeigingen.
    Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr: sechzehn Uhr. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass es schon so spät war. Aber ich vermutete, dass mir noch zwei Stunden Tageslicht blieben – genug Zeit, um den Gipfel zu erklimmen und wieder abzusteigen. Jedenfalls wenn ich mich anstrengte.
    Ich lief und lief, bis ich an nichts anderes mehr dachte als daran, wohin ich den nächsten Fuß setzte: auf diesen Stein, über diese Wurzel, zwischen Kies. Die Luft war herbstlich klar und kühl, und ich begann allmählich durchzuatmen. Immer wieder war Vogelgezwitscher zu hören, das abrupt abbrach, um dann nach einer Weile erneut wieder einzusetzen. Auch ein paar Grillen oder Zikaden zirpten. Ich roch den frischen Duft der Fichtennadeln und nahm das Plätschern eines kleinen Baches in der Nähe wahr. Ein leichter Wind kühlte meinen verschwitzten Nacken, und ich hob meine Haare hoch, während ich immer weiter nach oben stieg. Erst als ich den Wohnwagen entdeckte, wusste ich, dass ich irgendwie vom Weg abgekommen sein musste.
    Es war einer dieser unheimlich wirkenden, verrosteten Trailer, die man manchmal mitten auf einem Feld findet. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie er hierher gekommen sein mochte. Meines Wissens gab es keine Straße auf diesen
Berg, die breit genug gewesen wäre. Ich sah ihn genauer an. Es handelte sich um ein altes Vehikel, vermutlich aus den fünfziger Jahren, vielleicht sogar aus noch früheren Zeiten.
    Der Wagen war bewohnt. Jemand lebte hier und hatte vor die Tür sogar einen ausgehöhlten Halloween-Kürbis und ein Plastikreh gestellt. Neben einem Laubhaufen lag ein Rechen, und um den Wohnwagen lagen eine ganze Menge alter Autowracks und verrosteter Waschmaschinen herum. Ich warf einen Blick auf das »Betreten verboten«-Schild und überlegte. Sollte ich einfach umdrehen und versuchen, den richtigen Weg zu finden, oder sollte ich eher um Hilfe bitten? Über den Bäumen wurde der Himmel bereits dunkler. Ich warf erneut einen Blick auf meine Uhr: Viertel vor fünf.
    Und dann hörte ich ein warnendes Knurren.
    Mist. Ich drehte mich um und entdeckte einen Hund, dem man garantiert nicht in freier Wildbahn begegnen wollte. Es war ein mindestens fünfzig Kilo schwerer Malamute-Mischling, in dem vermutlich noch etwas von einem Rottweiler und einem Mastiff steckte, wenn man seine goldenen Augen, das glatte Fell und das gewaltige Maul betrachtete.
    »Braver Hund«, murmelte ich besänftigend. Aber der Hund knurrte weiter und umkreiste mich nun mit aufgestellten Nackenhaaren. Es heißt zwar immer, dass bellende Hunde nicht beißen, aber das ist ja auch klar, dachte ich grimmig. Wie sollen sie denn noch bellen, wenn sie ihre Zähne schon tief in deinen Schenkel gebohrt haben?
    Ich spürte, wie ich am ganzen Körper zitterte. Man durfte einem Angreifer niemals zeigen, dass man Angst hatte, doch dieser Ratschlag nützte mir herzlich wenig.

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