Wolke 7 inklusive
eingespeicherte Nummer – und hörte schon Steffens Stimme: »Wo bleibst du denn? Ich hab schon dreimal bei dir anzurufen versucht. Aber dein Handy war abgeschaltet …«
»Ich bin in der Klinik. Mit einem Gast. Infarkt.«
»Und Mutter Teresa muss sich persönlich kümmern. Du, wir wollten heute Abend unseren Jahrestag feiern. Vergessen?«
»Natürlich nicht! Aber … Frau Küster ist so aufgeregt. Und sie wirkt so verloren … da kann ich sie doch nicht sich selbst überlassen.«
»Irgendwann wirst du noch von deinem Heiligenschein erschlagen. Aber dann werd ich nicht da sein, um dir zu helfen.« Steffen Mauserts Stimme grollte.
»Ach, Bärchen, jetzt sei doch nicht so! Den Jahrestag verschieben wir einfach um vierundzwanzig Stunden.« Während sie dies sagte, bekam Kerstin ein schlechtes Gewissen.
»Sag mal, tickst du nicht sauber? Ich hab einen Tisch bei Gerhard Schwaiger bestellt! Dort einmal zu essen war dein größter Wunsch!« Steffen war wirklich sauer.
»O Scheiße! Es tut mir so leid. Vielleicht … wenn ich mich beeile …«
»Vergiss es.« Ein Knacken – Steffen hatte die Verbindung unterbrochen.
Kerstin biss sich auf die Lippen. Das war jetzt wirklich fatal. Gerhard Schwaiger war ein mehrfach ausgezeichneter Sternekoch. Sein Lokal »Tristan« lag direkt am Yachthafen von Portals Nous und war eigentlich immer ausgebucht. Man sah von dort aus auf die Luxusschiffe des spanischen Königs, der Ölscheichs und vieler anderer. Kürzlich hatte Flavio Briatore dort geankert und eine rauschende Party gefeiert.
Steffen, Koch aus Leidenschaft, bewunderte den berühmten Kollegen. Mit Recht war er jetzt stocksauer, dass ihm dieser Restaurantbesuch entging!
»Er könnte doch jemand anderen mitnehmen …« Schon griff Kerstin wieder nach dem Handy, aber es kam keine Verbindung mehr zustande.
Immer haben andere Vorrang … Kerstin ist viel zu gutmütig … Und ich bin nur halb so wichtig wie die Gäste … Warum soll ich auf mein Vergnügen verzichten? Ketzerische Gedanken. Wütende Überlegungen – mit der Folge, dass Steffen Mausert noch an diesem Abend eine der weiblichen Azubis einlud.
»Wie komme ich zu der Ehre? Hast du Stress mit deiner Kerstin?« Gina, drittes Lehrjahr, lange Beine und lange, schwarze Haare, grinste wissend.
»Nein. Sie hat eine dienstliche Verpflichtung.« So weit ging sein Zorn auf Kerstin dann doch nicht, dass er jegliche Loyalität vergaß.
»Ist ja auch egal. In so einen Nobelschuppen komm ich nicht so rasch.« Gina lachte. »Die Küche soll gigantisch sein.«
»Ist sie auch. Darum will ich ja auch mal testen, was da los ist. Kann für unser Haus nur von Interesse sein.«
Steffen, ein wirklich exzellenter Koch, war seit anderthalb Jahren Küchenchef im »Cloud Seven«. Er kochte fantasievoll, ein bisschen regional, aber doch so, dass für alle Gäste etwas dabei war, wenn er seine Galabüfetts organisierte oder allabendlich ein fünfgängiges Menü. Dennoch schaute er sich gern bei seinen Kollegen um, lernte dazu, ließ sich inspirieren.
Nun, an kulinarischen Inspirationen mangelte es ihm an diesem Abend nicht, doch als Gesprächspartnerin war Gina wirklich nicht zu gebrauchen. Dümmlich und oberflächlich – so stufte er sie schon nach einer halben Stunde ein und ärgerte sich, dass er sie überhaupt eingeladen hatte.
Noch vor Mitternacht waren sie wieder daheim. Und obwohl er sich eigentlich vorgenommen hatte, mit Kerstin ernstlich böse zu sein, klingelte er bei ihrem Apartment, das sie im Angestelltentrakt des Hotels bewohnte. Er selbst hatte nur zwei Zimmer im nahegelegenen Dorf. Mit Kontrolle von »Mama Rosa«, die nicht nur seine Räume und seine
Wäsche in Ordnung hielt, sondern auch streng darauf achtete, dass er keine weiblichen Wesen mit in seine Wohnung nahm.
»Wir leben doch nicht im vorvorigen Jahrhundert«, hatte er zu Anfang protestiert, doch seine Wirtin, gute sechzig und streng katholisch, hatte nur auf die Marienstatue und die vier Heiligenbilder gewiesen, die ihr Wohnzimmer schmückten.
Kerstin war noch wach – sie öffnete im Nachthemd. Und sofort war seine schlechte Laune wie weggeblasen. Süß sah sie aus in dem kurzen Hemdchen aus hauchdünnem Baumwollstoff. Die langen, dunkelblonden Haare fielen ihr leicht zerzaust über die Schultern.
»Noch böse?«, fragte sie.
»Du?«
»Nein. Nur … es tut mir so leid um den Abend. Und deine Idee, im ›Tristan‹ zu essen, war einfach herrlich.« Sie zog ihn ins Zimmer. »Hast du
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