Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
Vom Netzwerk:
kleinen Park angelegt, Weiden, Forsythien, Nadelbäumchen gepflanzt. Schwäne gab es, Enten und Karpfen, die die Leute vom Steg aus fütterten, einmal hatte sie sogar eine Schildkröte mit roten Streifchen auf der Stirn gesehen, aber vielleicht hatte sie sich geirrt. Eine Schildkröte in Wałbrzych? Um diese Zeit war niemand unterwegs, die Wasseroberfläche verschwamm im zunehmenden Dunkel mit der Luft, ein Schwan glitt durch die Dunkelheit wie ein Gebilde aus Watte. Jadzia blieb am Rand des Teichs stehen, sah den Karpfen an, der Karpfen sie, und sie stellte den Eimer auf den Boden und schaute zum Himmel, der wie immer im Winter grünlich war. Die Farbe erinnerte sie an die Johanniskäferchen, die sie als Kind in ihrem Garten in Zalesie beobachtet hatte. Mama, dachte Jadzia, schade, dass du nicht hier bist. Ich würde dir einen Brombeer- oder Himbeersaft aufmachen, den könntest du nach dem Essen zum Tee trinken. Gleich kommt Dominika, dann würdest du sehen, wie groß sie geworden ist, was für ein Fräulein von Welt sie jetzt ist. Jadzia beugte sich vor und klatschte das Wasser samt Karpfen aus dem Eimer in den Kleinen See der Spinnennixe, auf dem sich eine ganz dünne Eisschicht zu bilden begann. In diesem Jahr gibt’s Fischstäbchen statt Karpfen, lachte sie, während sie die auseinanderlaufenden Kreise auf dem Wasser betrachtete. Bestimmt hatte sie sich verhört, doch einen Augenblick lang schien es ihr, als dringe ein fremdländischer Gesang aus der Tiefe des Wassers an ihr Ohr. Jadzia eilte mit dem leeren Eimer nach Hause, und als es an der Tür klingelte, hatte sie gelüftet, den Tisch gedeckt und sogar ihrer Schwiegermutter die gemalten Brauen korrigiert. In der Tür stand ihre Tochter Dominika.

VIII
    Ich kann dir Saras Geschichte erzählen, sagt Dominika zu Małgosia Lipka, die wissen möchte, was ihre Freundin in all den Jahren gemacht hat. Sie sitzen auf dem Dach des Babel, mit dem Rücken an den Schornstein gelehnt, wie in der Schulzeit, es ist kalt, Schnee fällt, das Dach glitzert silbrig. Silbriges tut sich in der Wolken Ferne – weißt du noch? Wolkenfern. Dominika lacht, wie könnte ich Wolkenfern vergessen, ich hab doch nicht mein Gedächtnis verloren, ich kann nur nicht mehr rechnen. Silbriges tut sich in der Wolken Ferne. Der Sturm klopft an die Tür, als brächt er einen Brief. Lang haben wir gewartet aufeinander, deklamiert Dominika. Ich weiß auch noch, dass wir es finden wollten, dieses Chmurdalia. Und?, fragt Małgosia. Hast du es gefunden? Dominika zuckt die Schultern.
    Erzähl mir von Sara, wenn du nicht von dir reden willst. Małgosia spürt, dass sich Dominika in der Zeit seit ihrer letzten Begegnung viel mehr verändert hat als sie. Ihre eigene Geschichte, die sie gerade erzählt hat, erscheint ihr simpel und nicht besonders interessant. Sie zieht die Mütze tiefer ins Gesicht und lächelt ihre Freundin an. Erzähl mir doch von deiner Reisegefährtin Sara, bittet sie, und sie ist sich bewusst, dass ihre Neugier mit Eifersucht vermischt ist. Sieben Jahre sind vergangen. Małgosia betrachtet das Gesicht ihrer ersten Fast-Liebe, die nie weiter ging als ein Was-wäre-wenn und Wenn-doch-bloß-dann, nie weiter als Träume von Wolkenfern auf dem Dach des Babel, unter den Wolken, die wie verrückt rasten, wenn sie bulgarischen Wermut direkt aus der Flasche getrunken hatten, lauwarm. Dominika ist jetzt so, wie Małgosia vielleicht geworden wäre, wenn sie nicht in allem einem vernünftigen Plan folgte: erst Schule, dann Studium, eine gute Arbeit, Ersparnisse, als Lebensgefährtinnen bezeichnete Geliebte, die sich ohne große Erschütterungen des Gefühlslebens ablösen, eine Woche nach der Trennung Unwohlsein, einen Monat lang leichte Niedergeschlagenheit. Eine Reihe einander ähnlicher Frauen, gebildet, klein und mager, die in ordentlich gebauten Sätzen sprachen und Jeannette Winterson auswendig zitierten. Sie tauchen in Małgosias Leben auf, wenn sie gerade besonders dringend Hilfe brauchen, sie bemuttert die Freundinnen mit Hingabe und macht morgens Frühstück, was ihre Mutter nie gemacht hat, abends gibt es Essen bei Kerzenschein am hübsch geschmückten Tisch, wie sie es in ihrer Kindheit nie erlebt hat. Wundersamerweise findet sie Zeit, zu waschen und zu bügeln, und zwischen den Kleidungsstücken in ihren Schränken liegen duftende Kräutersäckchen. Sie ist stets bereit, auch unaufgefordert ihre jeweilige Lebensgefährtin gegen homophobische Arbeitgeber, giftige Exfreundinnen und

Weitere Kostenlose Bücher