Wolkenfern (German Edition)
Begegnung mit Leokadia Wawrzyniak, damals, am Pfarrhaus, bei der sie eine Feindseligkeit gespürt hatte, die sie traf wie ein Schlag ins Gesicht. Ein Schrank von einem Weib, konstatierte die eins sechzig große Jadzia in Gedanken angesichts der Pelzhutträgerin. Sie schloss die Hand fester um den Henkel der im Herbst auf dem Manhattan erstandenen chinesischen Tasche mit Strassbesatz und fragte scharf: Was wollen Sie von mir? Leokadia Wawrzyniak blähte sich auf. Mein Sohn Adaś … begann sie, doch Jadzia schnitt ihr das Wort ab. Was ist mit Ihrem Adaś? Sie ahnte, warum die Kaplansmutter den Weg nach Piaskowa Góra auf sich genommen hatte und ihr nun mit Bedacht in den Weg getreten war. Jadzia stieß ein verächtliches Prusten aus. Sie wollen Ihren Sohn vor meiner Tochter beschützen, ja? Uns maßregeln, was? Meine Dominika, die würde Ihren Adaś nicht mal zum Schuheputzen nehmen!, schnaubte sie. Meine Dominika, die hat einen Verlobten in Amerika! Jadzias verächtliches Lachen platzte Leokadia ins Gesicht wie eine Nagelbombe. Nach einem kläglichen Versuch, dieses Lachen nachzuahmen, wollte Leokadia Wawrzyniak eine Miene der Verachtung und Überlegenheit aufsetzen, die ihr aber auch nicht gelang und beim Anblick von Jadzias kampfbereiter Körperhaltung ins Rutschen geriet wie eine zu flüssige Pflegemaske. Wie die Mutter so die Tochter!, stieß sie schließlich giftig hervor. Jadzia spürte, wie sich die Hitzewallungen, an denen sie seit Jahren litt, in Körperkraft verwandelten, wie der Ausblick auf das baldige Eintreffen ihrer herrlichen Tochter sie beflügelte. Ha!, rief sie und stimmte wieder ihr markerschütterndes Lachen an, bei dem der Lepka, die gerade vorbeikam, fast die Augen aus dem Kopf traten. Willst wohl höher scheißen, als dir der Arsch sitzt!, rief Jadzia. Weißt du was? Wenn meine Dominika dein Kaplänchen sehen will, werde ich es ihr nicht verbieten. Soll sie doch in seine Messe gehen, am besten in die Mittagsmesse, wenn die Kirche voll ist, und ihn fragen, warum er abgehauen ist, nie sich mit einem Wort erkundigt hat, weder nach ihr noch nach dem Unglück, bei dem ihre beiden Großeltern verbrannt sind! Im Vatikan hat er gesessen und Löcher in den Stuhl gefurzt, während Dominika im Koma lag! Die verdatterte Lepka, die sich in sicherer Entfernung vom Schauplatz des Streites zu einer Reihe Schaulustiger gesellt hatte – lauter alte Mitbewohner ihres Blocks auf Piaskowa Góra –, begann Jadzia zu applaudieren. Bravo!, riefen auch die anderen, gib’s der Kuh! Von wegen Koma!, kreischte Leokadia Wawrzyniak, deren fuchspelzbekränzte Stirn inzwischen von Schweißperlen bedeckt war. Sie schnaufte und holte tief Luft. Ein Judenbalg ist Ihre Tochter! Jadzia Chmuras Blick bekam etwas Furchterregendes, ihre Augen funkelten, als spiegelte sich ein Feuer darin. Ohne zu begreifen, woher sie so viel Mut hatte, stellte sich Jadzia auf die Zehenspitzen, und mit der rechten, um eine Plastiktüte gekrallten Hand holte sie weit aus – eine Geste, die einem griechischen Diskuswerfer der Antike alle Ehre gemacht hätte – und verpasste Leokadia Wawrzyniak eine Ohrfeige, dass der Fuchspelzhut zu Boden ging und im nächsten Moment die ganze Gestalt ins Wanken geriet, sich krümmte und stürzte. Mensch, die is ne Nummer!, nuschelte der zahnlose Józek Sztygar bewundernd und stimmte in die Anfeuerungsrufe von Jadzias Mitbewohnern ein. Leokadia Wawrzyniak rappelte sich auf, Achtung, Jadzia!, riefen ihre Anhänger warnend, als die Kaplansmutter zum Racheschlag ansetzte, der aber, weil Jadzia sich rechtzeitig duckte, nur ihre Mütze aus dem Lot brachte. Verschwinde von hier!, schrie Jadzia die sichtlich lädierte, entsetzt ihren beschmutzten Fuchspelzhut betrachtende Leokadia Wawrzyniak an. Verschwinde und lass dich nie wieder blicken! Jawohl!, riefen die Schaulustigen bekräftigend. Nie mehr! Unter diesen Rufen stolperte Leokadia Wawrzyniak im einsetzenden Schneefall davon, stammelte etwas von der Miliz, die es allerdings längst nicht mehr gab, und hörte vielleicht noch den Beifall, den die Zuschauer Jadzia Chmura spendeten. Sie umringten Jadzia, klopften ihr auf die Schulter, wünschten ihr frohe Weihnachten, riefen anerkennende Worte. Noch nie waren Jadzia ihre Mitbewohner in diesem von ihr so ungeliebten Babel so schön vorgekommen, sogar der einarmige und zahnlose Józek Sztygar, dessen Umarmung sie erwiderte, ausnahmsweise ohne einen Gedanken an die Bakterien zu verschwenden. Krysia Śledź hob Jadzias
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