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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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steckten in ausgetretenen Pantoffeln, die Beine waren mit Krampfadern überzogen und seltsam dünn im Verhältnis zum übrigen Körper; sie ging Dominika bis zur Schulter und hatte einen Gesichtsausdruck, als reiche ein Nektar- oder Wermutstropfen, um sie sofort in Euphorie oder Verzweiflung zu versetzen. Bist du Griechin?, fragte Apostolea Dominika. Nein, ist das schlimm? Schlimm nicht, aber ich dachte, du wärst es. Sehe ich wie eine Griechin aus? Du siehst aus wie eine meiner Töchter, sagte Apostolea und bat Dominika in die Küche, wo vor einer Ikone eine Öllampe brannte; dieser Geruch, Dominika kannte diesen Geruch. Und woher bist du? Aus Polen, auf diese Frage gab es immer nur die eine Antwort. Der Papst, seufzte die Griechin, aber das macht nichts. Das macht nichts, der Papst?, fragte Dominika nach. Sie sog den Duft der griechischen Küche in diesem Londoner Haus tief ein. Dimitri Angelopoulos, dachte sie, der Junge mit dem Tornister voller Rachatlukum, die griechische Küche seiner Mutter in Szczawienko. Sie könnte hier bleiben; ich könnte hier bleiben, sagte sie, wenn Sie sich für mich entscheiden. Apostolea zog ein Blech aus dem Ofen und bot Dominika frisch gebackene Wecken an, lecker? Köstlich! Auf Zypern waren sie noch besser, hier gibt es nicht das richtige Mehl. Eine Zeitlang saßen sie schweigend da. Als ich noch auf Zypern wohnte, hat meine Tante Eleni einmal solche Wecken gebacken. Ich hatte immer Hunger, also hab ich mir fünf davon stibitzt und mich in einem zerbrochenen Weinkrug im Garten versteckt; meine Tante rief: Apostolea! Apostolea! Und ich − keinen Mucks, hab bloß leise die Wecken verspeist, einen nach dem anderen. Durch eine Ritze konnte ich das Meer sehen, was für ein Meer es dort gibt, was für einen Himmel, nirgendwo gibt es so einen Himmel wie auf Zypern. Prügel hab ich später gekriegt, dass mir das Blut aus der Nase floss, aber was ich gegessen hatte, das war meins. Das Leben ist nicht leicht, ich war eine Waise, und du, hast du Familie? Ich habe meine Mutter, mein Vater ist tot, meine Großeltern auch. Schwestern, Brüder? Ich hatte eine Zwillingsschwester, aber sie ist gestorben. Sie aßen einen zweiten Wecken. Das Leben ist nicht leicht, seufzte Apostolea, ich vermiete dir das Zimmer, wenn du willst. Dominika dachte zuerst, die alte Griechin habe Mitleid mit ihr wegen dieser vielen Tode, die sie unmöglich verschweigen konnte, wenn man sie nach ihrer Familie fragte. Apostolea sah Dominika an, genau wie meine Afroditi, sagte sie und schob ihr noch einen Wecken hin; sie griff in den Schrank, holte ein Glas Honig hervor und lächelte, als wäre die Ähnlichkeit dieser Polin mit jemand Verlorenem die beste Empfehlung. Du bist dünn, iss Honig, der griechische ist der beste, wenn es auch hier keinen so guten wie auf Zypern gibt. Morgen mache ich dir Dolmades. Afroditi war immer auf Diät, und du? Ich nicht, antwortete Dominika wahrheitsgemäß, ich mag nur kein Fleisch. Das griechische wirst du mögen, seufzte Apostolea, mit Majoran und Knoblauch. Wenn nicht, mache ich dir Oktopus in Essig. Willst du? Vielleicht riskiere ich es.
    Ich habe eine Wohnung gefunden!, sagte Dominika zu Sara an diesem Abend am Telefon, ich habe ein Zimmer mit Blick auf den Garten, in dem ein Feigenbaum wächst, er hat Blätter wie Froschfinger. Du musst mich hier besuchen und von deiner Reise nach Afrika erzählen. Zu etwas war Napoleons Nachttopf doch nütze. Zu etwas war er nütze, bestätigte Sara.
    Sara hatte den Nachttopf von Napoleon angenommen, den Dominika ihr zum Geschenk machte, aber sie hatte darauf bestanden, dass sie ihn gemeinsam verkauften und den Gewinn teilten.
    Sie ließen ihn von einem alten Bekannten Eulalia Barrons aus dem Metropolitan Museum schätzen und gingen in einen der Antiquitätenläden, die er empfahl. Der Antiquar, ein hamsterartiges Männlein in rosa Hemd mit Fliege, stimmte ihnen zu, die Geschichte des Objekts sei faszinierend, die Herkunft aus Dionizy Kołeks Łódźer Manufaktur gesichert, aber er zahle leider nur für materielle Dinge und nicht für Geschichten, auch nicht für die außergewöhnlichsten, das komme nicht in Frage, selbst wenn sie ihm jetzt und hier, auf der Stelle eine noch ungewöhnlichere Geschichte erzählten als die, die er gerade gehört hatte. Wenn es wenigstens ein Nachttopf von Austerlitz gewesen wäre, die Leute mögen Geschichten von großen Siegen, oder von Waterloo, große Niederlagen verkaufen sich ebenso gut, aber Polen, ein

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