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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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auch wenn sie mit rabenschwarzem Haar auf die Welt gekommen waren. Seine Mutter Maria freute die Zurückhaltung ihres Sohnes hinsichtlich ernsthafterer Beziehungen, denn seit der Rückkehr ins Heimatdorf Diafani hatten Ehestifterinnen begonnen, ihr Kandidatinnen vorzuführen, für die jedes Jahr junge Griechen aus London, Berlin, New York, Montreal angereist kamen. Maria Angelopoulos, die ihr ganzes Erwachsenenleben außerhalb ihrer Insel verbracht hatte, fühlte sich nach zwei Monaten so, als sei sie nie fort gewesen, und daran merkt man, dass man zu Hause ist. Nach einigen Artikeln darüber bekam Dimitri von einem großen Verlag das Angebot, ein Buch darüber zu schreiben. Das war das Thema, das er suchte! Er könnte Urlaub nehmen und mit Ted nach Karpathos fahren, dort würde das Buch entstehen; der Gedanke gefiel ihm immer besser, und er freute sich, dass Ted ein wenig unter Griechen sein könnte.
    Im Alltag war Dimitri ein verantwortungsvoller Mann, der mit beiden Beinen fest auf der Erde stand und einen so gutmütigen und schlichten Eindruck machte, dass sich seine Interviewpartner erst nach einiger Zeit an den Kopf fassten, wenn ihnen bewusst wurde, dass sie diesem Menschen Dinge erzählt hatten, von denen sie noch nie mit jemandem gesprochen hatten. Dimitri gefiel sein Leben und das Leben allgemein, er neigte nicht zur Melancholie, und nur manchmal, vor allem wenn er laufen ging, erwachte in ihm die Sehnsucht, die er als Kind verspürt hatte, wenn sein Vater ihm die Odyssee vorlas und er sich die fernen Länder, das Meer, die zitternden Wassertropfen am Schiffsbug und die Nixen vorstellte, besonders die Sirenen mit ihren süßtönenden Stimmen. Doch meistens genügte ihm ein starker griechischer Kaffee, um solche Träumereien abzuschütteln und sich an die Arbeit zu machen. Mit achtundzwanzig Jahren fing er an, das zweite Haus der Familie in Diafani zu renovieren, das neben dem Haus seiner Eltern. Die ganzen Ferien hindurch machte er Fotos, studierte alte Pläne, suchte ortsansässige Handwerker, denn er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass es in dem Haus außer zivilisatorischen Errungenschaften, die er nicht mehr missen wollte, ein traditionelles Schlafzimmer auf einem hölzernen Zwischenboden geben sollte, das man hier Sofa nannte. Wenn er ins Meer hinausschwamm, blickte er mit Liebe auf dieses weiße Haus mit seinen fließenden Konturen, das mit Felsen und Wasser verwachsen schien wie ein Werk der Natur und nicht eines Menschen. Ein Haus, zu dem man heimkehren wollte.
    Dimitri und Dominika saßen in Apostoleas Garten, der nach dem düsteren Londoner Winter zum Leben erwacht war, um für einige Monate mehr schlecht als recht den für immer verlorenen zypriotischen Garten nachzuahmen, über ihren Köpfen wiegten sich die jungen Blätter des Feigenbaums. Mit einem Mal fand die wortkarge Dominika Worte, auf denen sie sich wie auf einer Brücke von Piaskowa Góra, aus den Armen der bemutternden Jadzia, aufmachte in die Welt. Dimitri, begann sie, nimm dich in Acht, diese Geschichte ist absolut spinnert-spleenig. Als Dimitri nach zwei Wochen fragte, ob Dominika mit ihm nach Karpathos fahren würde, kam diese Frage weder ihm noch ihr übereilt vor, denn Dimitri Angelopoulos war der Erste, der nicht fand, dass Dominika Chmura ihn an jemanden erinnerte. Ich weiß nicht, wie lange ich bleiben werde, sagte sie vorsichtig warnend, und Dimitri antwortete, das sei in Ordnung, Dominika könne bleiben, so lange sie wolle, sie müsse aber daran denken, dass die Fähre den Hafen von Diafani im Winter nur einmal pro Woche anfuhr.

XI
    Geh unter die Leute, Mama, sagt Dominika ihr immer wieder, geh unter die Leute, nicht nur Kirche, Supermarkt, Manhattan, und Jadzia stimmt ihr zu, da ist was dran, unter die Leute gehen sollte sie. Sie wird den blassrosa Angorapullover anziehen, zart wie Kükenflaum, den Dominika ihr neulich geschickt hat, sich die Haare zurechtmachen und aus dem Haus gehen. Wenn sie unter Leute kommt, ist sie nicht allein und grübelt nicht mehr über all die Unglücke nach, die ihrer Tochter zustoßen könnten, und diejenigen, die bereits geschehen und nicht wieder gutzumachen sind. Mit Halinas Tod ist Jadzia Chmura die Freude der sonntäglichen Treffen genommen worden, die in Gestalt von Halinas kulinarischen Missgeschicken und dummen Kommentaren zu Fernsehsendungen Stoff lieferten, den sie nach Lust und Laune eine Woche lang aufwärmen konnte. Wie fehlten ihr jetzt die Gründe, die Augen zu verdrehen und

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