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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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dass ich von einer Treppe falle wie meine Mama damals in die Arme von Papa und irgendwo hängen bleibe, bevor ich weiß, ob es mir dort überhaupt gefällt. Ein, zwei Wochen später war schon keine Rede mehr vom Maler, also unterhielten sie sich über Sabina, eine Studentin aus Rumänien, die Małgosia vor kurzem kennengelernt hatte und mit der sie zusammenziehen wollte, im Sommer würden sie nach Rumänien fahren, in die Berge, zwei Wochen wandern und zelten in Transsilvanien, sie hat schon einen ganzen Plan ausgearbeitet und sich eine Wanderroute aus dem Internet heruntergeladen, gerade hat sie Sabina zu einem Kletterkurs angemeldet. Und du? Was machst du im Sommer? Du wirst dich wundern, lachte Dominika, ich habe keine Reisepläne und auch keine Wanderroute aus dem Internet. Ich werde bestimmt fotografieren und sicher mal meine Mutter besuchen. Ach ja – ich hab doch einen Plan: Apostolea bringt mir bei, Baklava zu machen. Ich mach dir welches, wenn du aus Rumänien zurück bist.
    In diesem Frühjahr, als in Polen der Jahrhundertregen begann und Małgosia ihre Wandertour durch Transsilvanien plante, floss Dominikas Londoner Leben im Rhythmus von Vorlesungen, Workshops und Fotostreifzügen dahin; am Ende des Studienjahres arbeitete sie an einem Bilderzyklus über verlassene Londoner Friedhöfe. Die Betrachter dieser Bilder würden von Licht und Stimmung, von der scheinbaren Unwirklichkeit der Gestalten im Hintergrund begeistert sein, dabei war es Dominika hauptsächlich um eine Studie des Verfalls gegangen, darum, das unterschiedliche Sterben von Stein, Holz und Metall wiederzugeben. Gerade hatte sie auf dem Küchentisch Bilder von verkrüppelten Christusfiguren, morschen Holzkreuzen und grasüberwachsenen Mazewen ausgelegt, als Apostolea erschien. Sie kommen! Mein Enkel Ted aus Berlin kommt! Die alte Griechin kam mit ihrem karierten Einkaufstrolley hereingerauscht und fiel Dominika um den Hals. In einer Woche werden sie hier sein, ich muss gleich mit den Vorbereitungen anfangen, es gibt so viel zu tun. Dominika waren solche Vorbereitungen wohlbekannt, und sie wusste, dass sich bald auch eine andere Frau ein gutes Stück weiter östlich von hier in Erwartung der Tochter mit dem gleichen Eifer an die Zubereitung ähnlich übertriebener Essensmengen machen würde. Als Dominika jünger war, reagierte sie gereizt auf Verschwendung, Überfluss und etwas, das sie in ihrer jugendlichen Naivität für die Vergeudung von Energie auf Unwichtiges gehalten hatte. Heute wusste sie, dass Millionen Frauen auf dieser Welt nur auf diese Weise ihre Liebe zeigen können, denn wahre Liebe zeigt sich nicht darin, dass man rational ausrechnet, wie viele Piroggen oder Dolmades der geliebte Mensch essen würde. Sie spürte sogar eine seltsame Lust in sich aufkeimen, die Gerichte, die sie von Apostolea gelernt hatte, einmal für ihre Mutter Jadzia zu machen.
    Am Tag des Besuchs zog die alte Griechin ihr kobaltblaues Kleid an und dazu sämtlichen Goldschmuck, den sie in den Jahren ihres Ehelebens angehäuft hatte; die Armbänder, die sie nach jeder Geburt von ihrem Mann geschenkt bekommen hatte, die Ketten zum Hochzeitstag, Ringe, die denen ganz ähnlich sahen, die Dominikas Mutter für harte Zeiten im Wäscheschrank aufbewahrte. Das Foto! Ob Dominika es jetzt schon machen könne, denn später würde sie sicher vor Rührung in Tränen ausbrechen, und wie würde das aussehen. Eines im Garten, unter dem Feigenbaum, im milden Nachmittagslicht, unbedingt in dem sehr eleganten neubezogenen Sessel mit den vergoldeten Armlehnen, ein weiteres in der Küche, in der Ecke mit den Ikonen und der Öllampe; lächeln, fertig. Gleich kommen sie! Mein Gott, sie hat den Halloumikäse vergessen, wie konnte sie den nur vergessen?! Als Vorspeise muss es gebackenen Halloumikäse geben, mit Tomaten und frischem Basilikum, ein griechisches Mahl ohne Halloumi, hat man so etwas schon mal gesehen, Apostolea war den Tränen nahe. Dominika erbot sich, schnell ins Geschäft zu gehen, kein Problem, bei der Gelegenheit würde sie gleich Abzüge von den Fotos machen, damit Apostolea sie ihrem Enkel geben konnte. Kauf auch noch Granatäpfel, es sind sicher nicht genug da, warum hat sie nur so wenige gekauft, wo hatte sie ihren Kopf, ohne Granatäpfel wird es kein Abendessen, sondern ein Desaster, aber Dominika soll sie bloß nicht in dem neuen türkischen Laden kaufen, die Türken haben keine Ahnung von Granatäpfeln; unbedingt im griechischen Delikatessengeschäft

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