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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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nichts dagegen, von einem Ausländer gestört zu
     werden. Russland war zu diesem Zeitpunkt ausgelaugt, und Ausländer besaßen Geld und vielleicht auch eine Lösung für all die
     Probleme des Landes.
    Innerhalb einer Stunde erklärte sich ein Professor Iljin, ein Kinderkardiologe, prinzipiell bereit, die Operation durchzuführen.
     Sprachlos saß Adela auf ihrem Sofa und lauschte dem |47| Gespräch. Sie schien maßlos erstaunt, dass man mit diesem einfachen Telefon in ihrem Büro solche Kapazitäten anrufen konnte.
     Adela war wahrhaft der Prototyp einer sowjetischen Angestellten: Für sie war das Telefon ein Werkzeug ihrer Vorgesetzten,
     mit dem diese ihr Anweisungen oder Maßregelungen zukommen ließen. Es war kein Mittel zur wechselseitigen Kommunikation. Und
     am allerwenigsten war es ein Instrument zur aggressiven Einmischung, wie Reporter es nutzten, um die Ruhe der Mächtigen zu
     stören.
    Waleria wurde also eine Herzoperation in Aussicht gestellt. Sie war zumindest vorläufig vom Abstellgleis gerettet worden.
     Darüber hinaus war es Sarah und Alan gelungen, Adelas Vertrauen zu gewinnen, und obwohl sie der westlichen Welt gegenüber
     nach wie vor zutiefst misstrauisch war, verweigerte sie ihnen nicht länger den Zutritt zum Babyhaus – auch dann nicht, als
     ihre merkwürdige Freundschaft im Laufe der kommenden Jahre mehrfach auf die Probe gestellt wurde.
    Die frisch geknüpften Bande zwischen der Chefärztin und den beiden Ausländern wurde mit einem Glas Kefir begossen, zu dem
     Adela sie zum Dank einlud. Da sie wusste, dass Sarah und Alan Briten waren, gestand Adela, dass sie Fan der Schauspielerin
     Vivien Leigh sei, woraufhin Alan ihr Herz mit der Geschichte gewann, dass seine Mutter einst bei Harrods neben Vivien Leigh
     am Tresen mit den Handschuhen gestanden und im Anschluss berichtet hatte, ihre Haut wirke geradezu transparent, so zart sei
     sie. Adela war davon ebenso begeistert wie von Alans russischem Akzent, der ihm als Schüler von einem emigrierten Grafen beigebracht
     worden war.
    Doch von einem Augenblick zum anderen schlug Adelas Stimmung um, und sie begann, ihnen von einer Insel von Teufelsanbetern
     zu erzählen, die erstaunliche Ähnlichkeit mit Großbritannien aufwies. Die Insel war von Gott gestraft und daraufhin vom Meer
     verschluckt worden. Adela warf ihren Gästen einen Blick zu, der zu sagen schien: »Ihr seid meine Freunde, aber was euer Land
     anbetrifft, bin ich mir nicht so sicher.«
    |48| »Gibt es in England viele Ungläubige?«, fragte sie Alan.
    »Adela, bei uns steht an jeder Straßenecke eine Kirche«, antwortete er, unterschlug dabei jedoch die Tatsache, dass sie fast
     alle leer waren.
    Sie war offensichtlich nicht überzeugt und legte mit einer Geschichte los, die keinen Zusammenhang zu dem bisherigen Thema
     erkennen ließ. Hundert russischen Pilgern war es unlängst gelungen, ohne Pässe, Flugtickets oder Visa ins Heilige Land zu
     reisen. Sie waren einfach in Moskau in ein Flugzeug gestiegen, das sie auf wundersame Weise nach Jerusalem gebracht hatte,
     wo sie mit offenen Armen empfangen worden waren. Sie beendete die Anekdote ebenso plötzlich, wie sie sie begonnen hatte, ohne
     jede Erklärung. Im Laufe der Zeit wurden Alan und Sarah wahre Meister darin, Adelas Rätsel zu entschlüsseln. In diesem Fall
     erklärte sie ihnen auf ihre zaghaftscheue Art, dass Gott tagtäglich Wunder wirkte, jedoch nur für russisch-orthodoxe Christen,
     nicht für Anglikaner, Baptisten oder Katholiken. Sie tat sich schwer mit der Vorstellung, dass direkt vor ihren Augen zwei
     Abgesandte von der Insel der Teufelsanbeter maßgeblich an der Wirkung eines medizinischen Wunders beteiligt gewesen sein sollten.
    »Während der kommenden Monate stellte ich mir oft die Frage, wie Adela es geschafft hatte, die Position der Chefärztin eines
     Babyhauses, der Leiterin einer großen Belegschaft einzunehmen. Viele Jahre später fand ich heraus, dass ihr der Posten zugefallen
     war, nachdem ihr Vorgänger – ein Mann – beschuldigt worden war, mit einer Reinigungskraft angebandelt zu haben. Er wurde entlassen,
     und da Adela ein treues Mitglied der Kommunistischen Partei war, übernahm sie seinen Posten. Vielleicht lastete ihr nun der
     jahrelange Dienst in der gottlosen Kommunistischen Partei auf dem Gewissen.«
    »Kann ich Wanja jetzt guten Tag sagen?«, fragte Sarah, als sie ihren Kefir ausgetrunken hatten und Alan zurück ins Büro gefahren
     war, um über die Meuterei in der

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