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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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russischen Armee zu schreiben. »Ich habe ein kleines Geschenk für ihn.«
    »Ja, aber zuerst möchte ich Ihnen etwas zeigen«, sagte |49| Adela. »Keines der anderen Babyhäuser hat so etwas. Folgen Sie mir.«
    Während sie hinter Adela einen dunklen Flur entlanglief, fragte sich Sarah, was diese ihr wohl zeigen wollte. Die Kinder brauchten
     so vieles. Vielleicht ein Lauflernwägelchen für Wanja? Oder physiotherapeutische Geräte für jene Kinder, die ihr Leben im
     Liegen zubrachten? Sie hielten vor einer Tür, die wie der Eingang zu einem Lagerraum wirkte.
    Adela schloss die Tür auf, und es dauerte eine Weile, bis sich Sarahs Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Kerzen flackerten
     hinter rotem Glas, spendeten aber nur schwaches Licht. Bis auf den matten Glanz von Messing konnte sie nichts erkennen. Dafür
     roch sie umso mehr: den schweren und kräftigen Geruch von Weihrauch. Dieser Raum mochte früher ein Lager gewesen sein, doch
     nun war er geweihte Erde, eine Kapelle, von deren Decke eine Öllampe herabhing und Licht auf eine Ikone der Jungfrau Maria
     warf. An den Wänden schimmerten weitere goldene Heiligenbilder. Ein stärkerer Kontrast zu der düsteren Eintönigkeit des übrigen
     Babyhauses war schwer vorstellbar.
    »Wie schön«, sagte Sarah und schluckte ihre Enttäuschung herunter. »Ich habe noch nie eine Kapelle in einem Babyhaus gesehen.«
    Adela hatte ihr Geheimnis preisgegeben: Sie hatte ihre gesamte Kraft in die Einrichtung dieser Kapelle gesteckt, und damit
     betrachtete sie alle Bedürfnisse der Kinder als gestillt. Endlich war klar, worum es ihr in erster Linie ging: die Seelen
     der Kinder zu retten.
    Adela bekreuzigte sich vor dem Altar. »Jeden Dienstag kommt der Priester, um die Kinder zu segnen. Er kommt von weit her,
     er muss um fünf Uhr morgens aufstehen und sich auf den Weg machen«, verkündete sie stolz. »Alle Kinder sind getauft.«
    Etwas in ihrem Gesichtsausdruck veränderte sich. Sarah hatte den Eindruck, als befürchtete sie, zuviel preisgegeben zu haben.
     Sie hatte ihr ganzes Leben unter dem Diktat des |50| Sowjetkommunismus gelebt, der die Bürger der westlichen Welt allesamt als CIA-Spione deklariert hatte. Genauso schnell, wie
     sie sich dazu entschlossen hatte, Sarah die Kapelle – und ihr Herz – zu öffnen, schloss und verriegelte Adela die Tür wieder.
    »Ich kann Wanja doch noch besuchen, oder?«, fragte Sarah.
    »Sie kennen ja den Weg«, murmelte Adela und verschwand in ihrem Büro.
    Wanjas Gesicht hellte sich auf, als er sie sah. »Sarah!«, rief er. »Ich wusste, dass du wiederkommst.«
    »Es tut mir nur leid, dass es so lange gedauert hat. Ich habe dir etwas mitgebracht, das dir hoffentlich gefallen wird.«
    Sie ging neben seinem Tisch in die Hocke und holte das Spielzeughammer-Set aus ihrer Tasche. Wanja nahm den Hammer in die
     Hand, und innerhalb weniger Sekunden hielt er die Nägel senkrecht zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt und klopfte sie
     in die Spanplatte. Voller Begierde nach Beschäftigung hielt er seinen Kopf über die Platte gebeugt und hämmerte ohne Unterlass
     Nägel ins Holz.
    Als es Zeit wurde zu gehen, sagte Sarah: »Ich versuche, schon bald wiederzukommen.«
    »Ich werde die ganze Zeit an dich denken«, erwiderte Wanja.
     
    Juni 1995
    In den Wochen nach dem Vorfall mit dem Krankenwagen und dem Mädchen mit den Herzproblemen wurde Sarah in die bizarre Welt
     des Babyhauses 10 aufgenommen. »Im Rückblick stelle ich fest, dass ich schamlos die Rolle der Engländerin mit der russischen
     Seele gespielt habe, und das Personal akzeptierte das, da die Fürsorgegruppe des IWC zu einer Zeit, da Russland am Boden lag,
     dringend benötigte Dinge beschaffen konnte. Die anderen Babyhäuser stellten weit mehr Forderungen als das Babyhaus 10. Im
     Nu hatten sie die Großzügigkeit ausländischer Spender erkannt und baten um große Fernsehgeräte für das Personal, um Videogeräte,
     neue Vorhänge, |51| Teppiche und neue Möbel für das Büro des Heimleiters. Adela dagegen bat schüchtern um Zucker, Trockenmilch, Waschmittel und
     ein Gemüsemesser für die Küche. Ich war sehr erstaunt, als ich erfuhr, dass die Küche für die Versorgung von über sechzig
     Kindern nur ein einziges Messer besaß.
    Die anderen Babyhäuser erhielten außerdem Geschenke infolge von Auslandsadoptionen, wozu es im Babyhaus 10 jedoch niemals
     kam, da die gut gekleideten Abgesandten der Adoptionsagenturen es schnell aufgaben, mit der abweisenden Adela ins

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