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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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jedem und für jeden von uns. Ich bin nicht Falk, ich baue keine Mauern, und ich habe auch nicht vor, dich einfach so wortlos allein zu lassen. Okay?“
    Er nickte: „Und die zweite Bedingung?”
    „Zweitens“, fuhr ich in sanfterem Tonfall fort,  „musst du mir alles, aber wirklich alles zeigen, was dein Lehrer dir so beigebracht hat. Und ich verspreche dir“ – bei diesen Worten wurde meine Stimme weich und verführerisch wie das Schnurren einer Katze – „dass ich ein sehr guter Schüler sein werde. Ein Musterschüler sozusagen.“
    Unendliche Erleichterung spiegelte sich in Christophs Miene, er lächelte glücklich und angesichts meiner Anzüglichkeit auch ein bisschen verschmitzt.
    „Danke“, flüsterte er. Einen Augenblick schien er zu überlegen, dann fragte er noch: „Meinst du auch das, wonach du mich vorhin gefragt hast?“
    Meine Nackenhaare stellten sich auf vor plötzlicher Erregung, und ich biss mir verlegen auf die Unterlippe.
    Er streckte die Hand aus und strich mir sanft über die Wange: „Okay, wenn die Zeit reif dafür ist... – Aber jetzt lass uns zurückschwimmen, sonst gehe ich heute überhaupt nicht mehr ins Wasser.“
    Ich sprang auf: „Na los, wer zuerst drüben ist!“
    Aber Christoph wehrte erschrocken ab: „Oh nein, bloß kein Wettschwimmen! Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich es überhaupt wieder bis rüber schaffe. Das ist schon ganz schön weit!“
    „Keine Sorge“, erwiderte ich in großzügigem Tonfall, während ich mir meine Badehose wieder anzog, „wenn du nicht mehr kannst, schleppe ich dich ab.“
    Wir brauchten beide einen Augenblick, um die ungewollte Doppeldeutigkeit meiner Worte zu begreifen. Prustend warfen wir uns in die Wellen.
    Nach zwei Dritteln machte Christoph tatsächlich schlapp, ob absichtlich oder nicht, wusste ich nicht. Wassertretend schwamm ich um ihn herum. „Okay, lege dich auf den Rücken, ich ziehe dich. Mach dich steif.“
    Er wusste, was ich meinte, konnte es aber nicht lassen, mit gespielter Entrüstung zu fragen: „Was, hier im Wasser? Du, das wird jetzt aber ein bisschen schwierig.“
    Ich lachte und verpasste ihm einen Nasenstüber. Dann schwamm ich hinter ihn, fasste mit dem linken Arm unter seinen Achseln hindurch um seine Brust und legte seinen Kopf gegen meinen Hals. Es war anstrengend, mit ihm im Schlepptau durch das Wasser zu gleiten, und ich war froh, dass ich Christoph nicht wirklich retten musste.
    Kurz vor dem Ufer ließ ich ihn los. Keuchend trieb ich erst einmal eine Weile im seichten Wasser, um wieder zu Atem zu kommen. Plötzlich spürte ich warme, starke Arme von hinten um meine Schultern fassen. Ich richtete mich auf und drehte mich um. Christophs Augen ruhten in meinen, und er sagte noch einmal: „Danke für dein Vertrauen. Danke für die zweite Chance.“
    Und dann küsste er mich. Es war ein langer, inniger Kuss voller Zärtlichkeit und Verlangen, Forderung und Demut. Ein Kuss, wie man ihn nur geben und erwidern kann, wenn man einander liebt. Ich spürte, dass Christoph mir genau das damit sagen wollte.
    Schließlich ließen wir uns wieder los und stapften tropfnass zum Ufer und unseren Decken. Mittlerweile hatten sich eine Menge Leute auf unserer kleinen Lichtung niedergelassen, die nun leider nicht mehr idyllisch ruhig war. Einige Pärchen waren dazugestoßen, auch eine Familie mit kleinen Kindern. Die Mädels der Pärchen schauten pikiert oder gelangweilt in sämtliche anderen Richtungen, nur nicht zu uns. Einige der dazugehörigen Kerle taten es ihnen gleich. Ein paar jedoch verfolgten uns mit neugierigen, amüsierten, fast neidischen Blicken. Vielleicht hätten die nichts gegen ein Abenteuer mit einem Mann einzuwenden gehabt.
    Die kleinen Kinder erklärten ihren Eltern gerade, dass sich die zwei Männer da drüben eben geknutscht hätten und dass das doch nicht richtig wäre. Ich grinste, während ich mir das Wasser aus den Haaren schüttelte. Nichts war richtiger als das, was mir gerade passierte, und es war genauso richtig, dass es mit Christoph passierte. In diesem Moment war ich so stolz und glücklich wie noch nie zuvor, und zum ersten Mal wünschte ich mir, dass dieses Glück ewig andauern möge.

 
    VI
    Die neue Woche brachte mir eine Menge Arbeit in der Bibliothek. Demzufolge hatte ich beim abendlichen Terrassenplausch immer sehr viel zu erzählen. Christoph und Tante Melanie hörten mir stets sehr aufmerksam zu und amüsierten sich köstlich, wenn ich Anekdoten aus dem Bibliotheksalltag

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