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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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es fantastisch. Ich habe die Vororte so unglaublich satt. Ich brauchte frische Luft, musste mein Leben mal aerifizieren. Malcolm wäre so stolz auf mich, so ein treffender Gebrauch von Golfterminologie! Wenn er nicht so sauer wäre, dass ich jetzt für die Konkurrenz arbeite, mitten auf der Madison Avenue.
20. April 1989
Sie nennen sie die Central-Park-Läuferin, ein Name, der zu jeder der Tausenden von uns passen würde, die wir abends um das Reservoir laufen mit der heimlichen Angst davor, dass so etwas passiert. Ich war vielleicht zwanzig Minuten vorher an genau der Stelle. Hätte ich ein bisschen länger für die Dehnübungen gebraucht oder wäre ans Telefon gegangen, bevor ich aus der Wohnung bin, wäre ich in dem Moment da gewesen.
Wie oft im Leben kommt es zu einer Beinahkatastrophe? Jeder Tag besteht aus diesen winzigen Entscheidungen mit 57 000 sich verzweigenden Auswirkungen. Du nimmst eine andere U-Bahn als sonst und streifst einen Fremden, der eine Hirnhautentzündung hat, oder du hast Augenkontakt mit jemandem, in den du dich verliebst. Oder man kauft einen Lottoschein in der einen Woche woanders als sonst und kassiert total ab, oder man verpasst den Zug, der dann entgleist. Alles ist so beschissen willkürlich. Alles hat Konsequenzen, die Leben oder Tod oder Liebe oder Bankrott bedeuten oder was weiß ich. Wenn man darüber nachdenkt, kann einen das wirklich lähmen. Aber man muss sein Leben leben. Was gibt es für Alternativen?
    In der Dachkammer wurde es fünf Grad kälter. Kate schlang die Arme um sich und rollte sich auf der Chaiselongue zusammen. Elizabeth hatte ihren Flieger damals nur ausgewählt, weil er eine Stunde später abflog. Das war der einzige Grund. Sie hatte darüber in einer E-Mail Witze gemacht: Ich zahle $ 50 mehr, um ausschlafen zu können . Willkürlicher ging es nicht mehr.
    Fast das ganze letzte Jahr über hatte sich Kate beim Verlassen des Hauses die Frage gestellt, wann es passieren würde. Irgendwo braute sich schon das nächste Ereignis zusammen, ein Akt der Zerstörung, der entweder das Vorangegangene wiederholen oder es übertreffen würde, was kaum vorstellbar war. Ein verdächtiger Rucksack im Einkaufszentrum. Eine wirksame Tablette, die in das McMillan-Wasserreservoir geworfen wurde, ein ganzes Glas davon. Die Chemikalie würde sich in den Washingtoner Wasserleitungen verbreiten und Giftstoffe in Kates Küche träufeln, wenn sie den Hahn aufdrehte, bevor die Meldung über das vergiftete Wasser in den Nachrichten kam. Es gab zufällige Unfälle, wie Elizabeths Absturz, und es gab vorsätzliche Unfälle. Doch das Ergebnis war das gleiche, und alles war reine Willkür.

Elf
    Das Festnetztelefon klingelte blechern und altmodisch in der Küche des Bungalows. Kate hatte nur wenigen Menschen die Nummer als Alternative zu ihrem unzuverlässigen Handy gegeben. Es kamen so wenige Anrufe über das Festnetz, dass sie schon gar nicht mehr daran dachten, und das Klingeln durchbrach die morgendliche Stille wie eine Sirene.
    Kate stand im Garten und hielt den Wasserschlauch auf das Planschbecken; sie wartete, dass Chris abnahm. Das Telefon verstummte mitten im dritten Klingeln. Sie hörte Chris im Haus plaudern und dann Stille.
    Mein Vater, dachte sie. Etwas ist meinem Vater zugestoßen. Wenn er abends noch spät an der Uni arbeitete, vergaß er manchmal seine Herztabletten.
    Chris kam auf die Veranda und sah sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht deuten konnte.
    »Meine Eltern?«
    »Nein, es ist Dave.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch, und Chris zuckte die Achseln. Sie ließ den Schlauch ins Becken fallen, wo er sich im seichten Wasser wie eine freigelassene Schlange wand.
    Kate hatte nicht erwartet, von ihm zu hören, während sie hier waren, und wäre zugegebenermaßen auch nicht überrascht gewesen, wenn er den Kontakt zu ihr nicht mehr suchte. Er hatte nur Mach’s gut gesagt, nachdem er die Truhe ins Auto verladen hatte, sein Tonfall war so endgültig wie ein Platzverweis.
    Sie nahm den Hörer vom Küchentresen. »Hi Dave, wie geht’s euch?«
    »Och, alles bestens – aber die Hitze ist unglaublich. Wie gefällt euch Insulanern dort draußen der Sommer?« Seine Stimme klang unbeschwert und zum Scherzen aufgelegt, so wie Kate sie im vergangenen Jahr nicht oft gehört hatte.
    »Ach, uns geht’s gut. Strand und Eis, Eis und Strand«, antwortete sie. »Auch wenn das die Kinder nicht vom Streiten abhält.«
    »Jonah zieht die ›Ich wünschte, ich hätte Brüder und keine

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