Wolkentaenzerin
die besseren Spieler nach Turnberry zu den British Open gefahren sind, ist er nach Mississippi zu einem der Turniere gefahren, die auf der ganzen Tour am wenigsten Preisgeld aussetzen. Es lief gut, er hat’s ins Mittelfeld geschafft, seine Kosten wieder reingespielt und dazu genug für unsere Hochzeitsreise und zwei Monate Miete.
Ich wundere mich, dass man so seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Wahrscheinlich ist er daran gewöhnt, aber wir werden nicht lange so leben können. Ich hoffe, dass wir mit meinem geregelten Einkommen keine Probleme haben, einen Kredit zu bekommen. Ich mag ihn nicht darauf ansprechen, will nicht rumnörgeln. Er steckt vielleicht den Kopf in den Sand, wenn es um Gefühle geht, aber seine Ehrfurcht vor dem traditionellen Familienleben und seine Vorstellung davon, dass der Ehemann auch immer der Ernährer sein muss, sitzt so tief, das könnte aus einer Sitcom der 50er stammen.
15. September 1994
Ich war vor zwei Tagen bei meinem Kontrolltermin bei der Geburtshelferin. Sie hat die warme klebrige Masse verschmiert und die Sonde herumgeschoben, verschiedene Perspektiven ausprobiert, um zu finden, was sie sehen wollte. Ich habe die ganze Zeit nach dem kleinen blinkenden weißen Licht Ausschau gehalten.
Nichts tauchte auf. Die Sonde glitt über meinen Bauchnabel und wieder runter, nach links und nach rechts. Die Geburtshelferin drückte fester, ging noch tiefer. Ich habe ihr eine Frage gestellt, aber sie hat stumm und mit zusammengekniffenen Augen an die Wand geschaut. Dann hat sie die Sonde hingelegt.
»In solchen Fällen holen wir normalerweise noch eine zweite Meinung von jemand anderem in der Praxis ein«, sagte sie ohne weitere Erklärung und ging hinaus.
In solchen Fällen.
Eine ältere Ärztin kam herein und sah auf den Monitor. Dann drückte sie mir ihr Mitgefühl aus. Der Bildschirm zeigte das letzte Bild, das sie gemacht hatte, das Profil eines vollständig geformten Körpers, ganz still und mit angezogenen Beinchen.
Seitdem liege ich hauptsächlich im Bett. Ich will nicht in den Spiegel sehen. Frage mich immer wieder, wann genau es passiert ist, was ich in den letzten Wochen gemacht habe, ob irgendetwas auffällig war. Aber mir fällt nichts ein. Das macht es aus irgendeinem Grund noch schlimmer: War ich so abgelenkt von der Hochzeit und unserer Reise, dass ich nicht mehr darauf geachtet habe? Ich bin besessen von Fragen. Junge oder Mädchen? Wann genau – ist es allmählich passiert, ist der Herzschlag langsamer geworden und hat dann ganz aufgehört, oder war es ganz plötzlich? Wird es noch ganz sein, wenn sie es morgen herausholen? Gott, Elizabeth, hat Dave dazu gesagt und sich angewidert weggedreht.
Die Ärztin sagt, das sind die Chromosomen, mit ziemlicher Sicherheit eine Art genetischer Defekt, aber man kann es nicht genau sagen. Hat nichts mit den Zellen im Gebärmutterhals zu tun, die sind von allein verschwunden. Sie beharrt darauf, dass es nicht an mir lag.
Aber ich weiß so sicher, wie ich nur irgendetwas auf dieser Welt weiß, dass es doch mit mir zu tun hat. Es hat mit dem zu tun, was ich vor 13 Jahren getan habe, wenn nicht körperlich, dann moralisch, als direkte Vergeltung für meinen moralischen Defekt damals, vielleicht sogar einer, den ich schon immer hatte. Man kann nicht achtlos mit dem Leben umgehen und dann Jahre später erwarten, dass es auf Kommando zu einem zurückkehrt. Ich hatte es mir nicht gewünscht, aber dieses Baby hat sich so real angefühlt, als wäre es schon Teil unserer Familie, wenn wir denn eine sind. Das ist meine Strafe, dessen bin ich mir sicher.
Es war schwierig für Kate, über Elizabeths Trauer zu lesen, doch Daves Reaktion auf die Fehlgeburt aus zweiter Hand zu erleben, war irgendwie noch grausamer. Er bewegte sich wie ein Geist durchs Haus, machte sich ein Brot und ließ es dann irgendwo anders liegen, ohne es zu essen. Er ging ins Gästezimmer, um seine Schläger zu polieren, wo Elizabeth ihn dann regungslos vorfand. Sie teilten weder ihren Schmerz noch irgendetwas anderes. Keiner von beiden wusste, wie sie mit diesen neuen Rollen umgehen sollten. Der Grund für diese Rollen war nicht mehr da.
Ich ertappe ihn dabei, wie er mich durch die Küchendurchreiche ansieht, wenn er vorm Fernseher sitzt. Er sieht dann schuldbewusst weg und tut so, als hätte er nicht hergesehen. So schwer er auch zu ergründen ist, weiß ich doch, dass er mich dafür verantwortlich macht, ihn in diese Situation gebracht zu haben, etwas zu lieben und dann zu
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