Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
Vom Netzwerk:
ich muss, ja. Aber es wäre schade drum. Die Truhe ist ein Familienerbstück.«
    »Ihre Familie wird die Truhe eh nicht wiedersehen, bevor du nicht deinen Frieden damit gemacht hast, dass du die Erinnerungen an deine Freundin nicht beeinflussen kannst. Was sie getan hat, ist nicht mehr rückgängig zu machen.«
    Er schob ihr eine große Schüssel mit Kiwis zu. Sie nahm eine in die Hand, schnitt die Enden hinaus und begann, sie zu schälen. Sie dachte an all die ehelichen Spielchen, die sie in New York miterlebt hatte, an Fehltritte von Menschen, denen sie so etwas niemals zugetraut hätte. Vielleicht ist Treue nur etwas für Schwäne und Kleingeistige. Das hätte sie bei Elizabeth nicht vermutet.
    Das hier musste sie zu Ende bringen, sie konnte es nicht für sich allein entdecken und dann beiseitelegen. Dave würde wieder anrufen, immer wieder. Elizabeth war keine unkluge Person, aber diese Entscheidung – die Tagebücher jemand anderem zu überlassen, ohne zu konkretisieren, was mit ihnen geschehen sollte – war unbedacht gewesen.
    Wenn Kate Geheimnisse gehabt hätte, die niemand erfahren sollte, wäre sie es anders angegangen. Sie hätte festgelegt, dass die Bücher vernichtet werden.

Siebzehn
    Kate saß in der Dachkammer und lauschte dem Gemurmel von unten. Die Kinder hatten sich von ihrer abendlichen Toberei beruhigt, als das Licht ausging, und würden bald schlafen.
    Die zweite Hälfte des gestreiften Notizbuchs war dicker als die anderen Tagebücher. Elizabeth hatte die Seiten mit Blättern aus Blöcken, Rückseiten von Flyern und Gedankenschnipseln auf den Rändern von Zugfahrplänen gefüllt. Wo immer sie sich gerade aufhielt, schrieb sie, auf allem, was ihr gerade in die Hände fiel.
    Direkt nachdem Dave ihre Nachricht über das Baby abgehört hatte, rief er Elizabeth an, genau wie sie erwartet hatte. Sie versöhnten sich. Seine Entschuldigung und Reue wirkten echt auf Kate und berührten sie, doch Elizabeth blieb auf Distanz. Ich bin mit ihm die notwendigen Schritte durchgegangen. Tränen, Entschuldigungen, Selbstbeschuldigungen und Zähneknirschen. Danach dann die Nettigkeitsparade. Es musste so ablaufen, sonst wäre er nicht derjenige, der er ist. Allmählich verschwand der analytische Ton, und als Elizabeth darüber schrieb, wie die Leidenschaft zurückkehrte, schwangen weder Ironie noch Vorbehalte mit.
    In einer besonders heißen Nacht versagte die Klimaanlage in Daves Haus, und die beiden quälten sich durch die Hitze. Der Ventilator rotierte im Dunkeln direkt neben dem Bett und ließ die Laken klamm und dann an der Stelle, an der die beiden lagen, sofort wieder heiß werden. Dave stand auf, um Eiscreme zu holen, und ging nackt in die Küche. Elizabeth betrachtete, wie das Licht von den Straßenlaternen seinen Körper umfing wie eine Toga. Er kam mit zwei kleinen Granny-Glass-Eisbechern zurück. In ihrem glitzerte an der Stelle ein Ring, wo normalerweise die Kirsche lag.
    Kate las diese Passage mit dem seltsamen Bedürfnis, sich zu jemandem umzudrehen, wie zu einer Freundin, mit der sie einen Film sah, und zu fragen: Wie kann sie ihm einfach verzeihen und weitermachen? und Was haben Männer nur immer mit ihren Verlobungsringen im Essen? Die Person allerdings, die sie fragen wollte, war Elizabeth.
    Mit ihren Freundinnen in Washington, den Müttern, die sie über die Schulen ihrer Kinder kennengelernt hatte, bewegten sich die Gespräche meist an der Oberfläche. Bei ihren Eltern schwang immer die Befürchtung mit, dass man nicht ihren intellektuellen Maßstäben entsprach, dass sie etwas von dem Respekt einbüßen würde, den sie sich als Erwachsene mit eigenen Ambitionen erkämpft hatte. Mit Rachel … Sie standen sich näher, als Kate noch gearbeitet hatte. Nachdem sie ihre letzte Stelle aufgegeben hatte, als Piper ein Baby war, war es Kate nicht gelungen, ihre Entscheidung so zu erklären, dass Rachel sie nachvollziehen oder respektieren konnte. Beim nächsten Zusammentreffen an Weihnachten waren Rachels Verwirrung und Enttäuschung sowie die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, deutlich spürbar gewesen.
    Und mit Chris – nun ja. Doch mit der Lektüre von Elizabeths Aufzeichnungen begegnete ein unzensierter Geist dem anderen, und das war vollkommen unmöglich im wirklichen Leben. Der Mensch, der sie jetzt am besten verstehen könnte, war tot, und Kate fühlte sich nun einsamer als zu Beginn des Sommers.

    Elizabeth und Dave heirateten im kleinen Kreis auf einem Anwesen in Georgia.

Weitere Kostenlose Bücher