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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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Richtungen« war dort zu lesen.
    Irgendwann fuhr ich einfach nur geradeaus. Ich wusste nicht, ob ich richtig war, aber es fühlte sich richtig an, und das war letztlich das Entscheidende.
    Tatsächlich schien ich dieses Mal Glück zu haben. Nach einigen Kilometern Landstraße erhob sich zur Linken ein moderner Hotelkomplex. Davor ein großer Parkplatz, auf dem ausschließlich dunkle Limousinen standen. Am Eingang wehten die bundesdeutsche und die Fahne des Landes Brandenburg.
    Ich parkte mein Fahrrad neben einem Mercedes. Plötzlich musste ich lachen. Es war alles ein großes Missverständnis. Aber für eine Umkehr war es jetzt zu spät.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ein junger Mann im Anzug und lächelte dabei so aufgesetzt freundlich, dass ich mich sofort unerwünscht fühlte. An seinem Revers hing ein Schild mit dem Namen »Schmücke«. Herr Schmücke sah mich an, als würde ich nackt vor ihm stehen. Seit meiner Kindheit hatte ich eine feine Antenne für abschätzige Blicke, und diese Antenne funkte mir in diesem Moment äußerst unangenehme Nachrichten zu.
    »Nein, vielen Dank«, sagte ich und lächelte ebenfalls freundlich, während ich das Kettenschloss aus dem Fahrradkorb nahm und Vorder- und Hinterrad miteinander verband.
    Herr Schmücke war mit dem Ergebnis seines Auftritts jedoch unzufrieden und wurde deutlicher.
    »Unser Haus ist heute leider völlig ausgebucht, vielleicht besuchen Sie uns ein anderes Mal.«
    Ich merkte, wie er versuchte, mich auf möglichst souveräne Art wieder loszuwerden. Seine gesamte Hotelfachausbildung schien in diesem einen Satz zu kulminieren.
    »Kein Problem«, sagte ich, »ich wollte auch nur etwas trinken.«
    Herr Schmücke atmete tief durch. Einen Moment vergaß er seine Ausbildung und musterte mich feindselig von oben bis unten. Ich trug eine kurze Hose und ein buntes Hawaiihemd, das half, meinen Bauch ein wenig zu kaschieren. Es gab keinen Zweifel mehr, dass ich in dieser sommerlichen Bekleidung in den Augen von Herrn Schmücke keinerlei Gnade fand.
    »Auch das ist, fürchte ich, heute leider nicht möglich.« Ein Hauch eisiger Geringschätzung wehte mich an.
    »Ich bin seit mehreren Stunden auf dem Fahrrad unterwegs und würde nur gerne etwas trinken, das wird in Ihrem Drei-Sterne-Laden doch wohl möglich sein, oder?«
    Die Herabstufung seines Hotels von vier auf drei Sterne kam mir wie eine taktisch äußerst gelungene psychologische Kriegsführung vor. Manchmal hatte ich es einfach raus.
    In seinem Blick zeichnete sich leichte Panik ab. Offenbar passte ich in keine bekannte Kategorie. Ich war nicht ungepflegt, blieb höflich, weigerte mich jedoch gleichwohl, seine Ablehnung zu akzeptieren. Ich fragte mich, ob ein Querulant in seiner Ausbildung überhaupt vorkam. Vielleicht hatte man ihn aus zeitlichen Gründen gestrichen, und nun fehlten Herrn Schmücke wesentliche Informationen.
    Es gefiel mir ausnehmend gut, ihm solche Schwierigkeiten zu bereiten. Womöglich machte ich gerade eine wichtige Entdeckung, dass ich nämlich im Grunde ein schwer einzuordnender Mensch war, der in keinem der einschlägigen Profile auftauchte. Als Massenmörder hätte ich wahrscheinlich eine beachtliche Karriere gemacht. Niemand hätte mir die grausigen Taten zugetraut.
    »Wir haben eine geschlossene Gesellschaft, ich darf Sie nicht reinlassen. Ich möchte Sie bitten, woanders einzukehren.« Er zog sein Jackett stramm, als wollte er klarstellen, dass seine Entscheidung keine persönlichen Gründe hatte, sondern direkt von der Hotelleitung kam.
    Irgendwie begann er mir leidzutun. Vielleicht hatte er den Job nur angenommen, weil er Frau und zwei kleine Kinder ernähren musste.
    »Dann tragen Sie die Verantwortung, wenn ich ohnmächtig vom Fahrrad falle«, sagte ich streng, aber beherrscht.
    Herr Schmücke sah sich nervös um.
    »Also gut, wenn Sie nur kurz etwas trinken, mache ich mal eine Ausnahme. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie danach gleich wieder gehen.«
    Ich lächelte und folgte ihm ins Hotel.
    Mein Blick fiel sofort auf den Barbereich, der sich unmittelbar an die Lobby anschloss. Ich steuerte direkt auf die Theke zu und bestellte beim Barkeeper ein frisch gezapftes Pils.
    Bis auf eine kleine Gruppe Männer in dunklen Anzügen, die bei Kaffee und Mineralwasser diskutierten, war von der geschlossenen Gesellschaft nichts zu sehen. Ich vermutete, dass sie in einem jener klimatisierten Räume saßen, in denen sich Jutta regelmäßig eine Erkältung holte. Wenn sie abends

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