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Wollust - Roman

Wollust - Roman

Titel: Wollust - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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unerlässlich.«
    Sie blickte zur Seite und tupfte ihre Augen mit einem Taschentuch trocken. Dann sah sie Decker wieder direkt an. »Ich möchte Ihnen Pandora Hurst vorstellen.« Sie deutete auf die Dame rechts von ihr. »Crystals Mutter.«

    Decker bot ihr seine Hand an, die sie auch ergriff. »Mein tiefes Mitgefühl für Ihren Verlust, Mrs. Hurst.« Die Frau musterte ihn aus farblosen, trockenen Augen: lange Nase, dünne Lippen und eine geisterhafte Gesichtsfarbe. Sie blieb stumm.
    »Würden Sie mich einen Augenblick entschuldigen?«, sagte Kathy.
    »Natürlich«, entgegnete Decker. »Bitte richten Sie Ihrem Mann mein tief empfundenes Beileid aus.«
    »Danke.« Kathy ging ein paar Schritte und brach schluchzend an der Schulter und in den Armen von Alicia Martin zusammen.
    Decker richtete seine Aufmerksamkeit auf Pandora Hurst. Sie trug ein langes schwarzes Kleid, das an der Grenze zu einem Hexenkostüm lag. Ihre grauen Haare waren mit mehreren Kämmen aus Elfenbein zu einem Dutt hochgesteckt. »Wenn Sie irgendetwas Dringendes benötigen, Ms. Hurst, lassen Sie es mich bitte wissen.«
    »Nennen Sie mich Pandy.« Ihre Stimme klang emotionslos. »Wann geben Sie meine Tochter zur Beerdigung frei?«
    »Ich werde mich an die Leute wenden, die das zu entscheiden haben.«
    »Ich möchte sie mit mir nach Missouri nehmen.« Pandy verschränkte die Arme. »Die haben mir einen Haufen Papierkram zum Ausfüllen in die Hände gedrückt. Selbst unter den angenehmsten Umständen war ich noch nie besonders gut in diesen Dingen.«
    »Ich werde mich darum kümmern, dass Ihnen jemand bei den Formularen hilft.«
    »Wann?«
    »Wann immer es Ihnen passt. Montag wäre für mich am besten, aber ich kann es auch früher anleiern.«
    »Wird meine Tochter am Montag freigegeben?«

    »Das weiß ich nicht. Ich muss erst nachfragen. Manchmal gehen die Dinge am Wochenende etwas langsamer voran.«
    »Stirbt denn niemand am Samstag oder Sonntag?«
    »Die Besetzung ist in der Regel kleiner. Wenn möglich, verschieben sie einiges auf montags.«
    »Die arbeiten also so, wie es ihnen in den Kram passt.«
    »Ich frage sofort nach und halte Sie auf dem Laufenden, sobald man mich zurückgerufen hat«, versprach Decker. »Ich weiß, dass Sie eine schwere Zeit durchmachen, aber es würde mir bei den Ermittlungen im Fall Ihrer Tochter helfen, wenn Sie mir von Crystal erzählen.«
    »Nicht jetzt.« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt.«
    »Wie wäre es morgen oder am Montag?«
    »Vermutlich Montag. Helfen Sie mir bei den Formularen?«
    »Ganz sicher.«
    »Ich möchte sie mit nach Missouri nehmen.« Pandy rieb sich die Arme. »Sie konnte Missouri nicht leiden, wissen Sie.«
    »Nein, das wusste ich nicht.«
    »Tja, nun … jetzt wissen Sie’s.«
    »Ich dachte, Sie hätten Crystal in L.A. großgezogen.«
    »Das stimmt. Ich bin hier wegen meines Ehemannes hergezogen. Dann hat er mich fünf Jahre später verlassen, um jungen Männern nachzujagen. Ich war entweder bescheuert oder wollte die Wahrheit nicht sehen, als ich Jack geheiratet habe. Als er sich mir offenbarte, sagte ich ihm, ich würde es ihm nicht nachtragen. Aber ich glaube, für Crystal war es sehr schwer.«
    »Scheidungen sind das gewöhnlich immer.«
    »Das, und herauszufinden, dass der eigene Vater schwul ist.« Sie zuckte mit den Achseln. »Nachdem Jack und ich uns getrennt hatten, nahm ich Crystal mit zu einem Besuch bei meinen Verwandten in Missouri. Ich wollte, dass sie ihre Großeltern kennenlernte. Sie fand es nur furchtbar dort. Sie
beschwerte sich über die Hitze, sie beschwerte sich über das Ungeziefer, sie beschwerte sich über die feuchte Luft, sie beschwerte sich über das Feriencamp, in das ich sie geschickt hatte, sie beschwerte sich über die anderen Kinder. Als ich dorthin zurückzog, fiel sie aus allen Wolken. Warum ich unbedingt mit einem Haufen Hinterwäldler in einem Sumpf leben wollte? Ich versuchte, ihr zu erklären, dass ich meine Familie vermisste. Dass ich, je älter ich wurde, mit Menschen zusammen sein wollte, denen ich etwas bedeutete.«
    »Das verstehe ich gut«, sagte Decker.
    »Sie verstehen das vielleicht, aber Crystal konnte das nicht nachvollziehen. Das war typisch für sie. Sie hat nie begriffen, was Vertrautheit und Beziehungen wirklich bedeuten. Jeder, den sie kennenlernte, war ihr bester Freund oder ihre beste Freundin.«
     
    Die Fahrt nach Las Vegas ging schnurstracks geradeaus: rund vierhundert Kilometer, die normalerweise in vier Stunden bewältigt

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