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Wollust - Roman

Wollust - Roman

Titel: Wollust - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Meter fünfundneunzig Körpergröße zu beherbergen. Die Scheiben waren getönt, aber nicht zu dunkel, um Misstrauen zu wecken.
    In einer fließenden Bewegung riss Gabe am Griff der Beifahrertür, zog sie auf und glitt auf den Sitz. Danach starrte er auf die Frontscheibe und zählte die Sekunden. Er wusste genau, dass die einzige Art, mit Chris Donatti klarzukommen, die war, die Dinge so zu nehmen, wie sie kamen. Sein Vater brauchte ganze fünf Minuten, um einen Ton von sich zu geben.
    »Geht’s dir gut?«
    Gabe nickte, den Blick weiter stur geradeaus gerichtet. »Ja, gut.« Er konnte hören, wie sein Vater angestrengt einatmete. Kein Alkgeruch; der Mann war nüchtern, was ihn noch furchteinflößender machte. Einen Moment später plumpste ein großer brauner Umschlag in seinen Schoß. Er war mit einem Metallclip verschlossen und die Lasche mehrfach mit Tesa umklebt.
    »Deine Geburtsurkunde, dein Pass, deine Sozialversicherungskarte plus zehntausend in bar, zwei Karten für Geldautomaten und die Nummern deiner Bankkonten«, zählte Donatti auf. »Du hast ein aktives Konto, auf dem ungefähr fünfzigtausend liegen. Für das Konto kannst du Schecks ausstellen oder am Automaten Geld ziehen. Zum zweiten Konto gehören die Unterlagen, zu denen auch ein Verwalter gehört. Du kannst darauf zugreifen, sobald du achtzehn bist. Auf dem liegen ungefähr hunderttausend. Zum letzten Bankkonto gehören die Papiere für deinen Treuhandfonds. Der steht dir offen, wenn du einundzwanzig bist. Du hast dort rund zwei Mille. Die Bank ist der Treuhänder. Wenn du etwas brauchst, bevor du das Alter erreicht hast, musst du dich an sie wenden. Ich weiß nicht, wie weit dich die fünfzigtausend bringen, aber ich
werde ab und zu mal draufgucken. Wenn du mehr brauchst, werde ich es erfahren und Bargeld einzahlen. Damit solltest du klarkommen.«
    Gabe hatte den Umschlag immer noch nicht berührt. Er nickte.
    »Irgendwelche Fragen?«
    Gabe blickte hinunter auf den Umschlag, seine Rettungsleine fürs weltliche Leben. »Verlässt du das Land?«
    »Gabe, im Moment bin ich so was von am Arsch, dass ich keinen verdammten Schimmer habe, was ich tun soll.«
    Dieses Eingeständnis brachte ihn dazu, einen kurzen Blick auf seinen Vater zu werfen, bevor er wieder die Windschutzscheibe fixierte. Chris sah selten gesund aus, aber jetzt wirkte er besonders ausgemergelt. Sein Gesicht war mit blonden Stoppeln übersät. Seine Augen waren patriotisch eingefärbt: rot, weiß, blau. Manchmal war es unmöglich zu glauben, dass Chris erst vierunddreißig war. Und dann wiederum gab es Zeiten, wenn sein Vater sich zurechtgemacht hatte, keinen Alk anrührte, ausgeschlafen war und vernünftig aß: Dann hielten die Leute sie für Brüder.
    »Ich dachte mir«, fuhr Donatti fort, »das Beste, was ich für dich tun könnte, wäre, deine Unterlagen in Ordnung zu bringen, für den Fall, dass mir etwas zustößt.«
    »Was könnte dir denn zustoßen?«, fragte Gabe.
    Donatti stieß ein kurzes Lachen aus. »Meinst du das ernst?«
    Stille.
    »Sieh mich an, Gabe.« Als der Junge gehorchte, sprach Donatti jedes einzelne Wort übertrieben deutlich aus. »Ich … habe… sie … nicht  … umgebracht.«
    Gabe wandte den Blick ab. »Okay.« Stille. »Ich glaub dir.«
    »Aber …« Donatti presste sich eine Faust in den Mund und nahm sie wieder heraus. »Das Ganze ist kompliziert.«
    Stille.

    »Ich bin noch mal ins Hotel zurück… nachdem Decker gegangen war …« Eine Pause. »Wie behandelt er dich?«
    »Er ist okay.«
    »Hat er mit dir über mich geredet?«
    Gabe schüttelte den Kopf.
    »Das glaube ich dir nicht.«
    »Na ja, er will, dass ich ihm sage, wenn du dich bei mir meldest. Aber das habe ich nicht, also …«
    »Über was redest du dann?«
    »Mit Decker?«
    »Ja, mit Decker.«
    »Nichts Besonderes. Wenn wir uns überhaupt unterhalten, fragt er mich nach Mom. Ob sie aufgeregt klang, als ich zuletzt mit ihr geredet hab …«
    »Und, klang sie aufgeregt?«
    Gabe sah seinen Vater direkt an. »Nicht wirklich, aber ich hab auch nicht drauf geachtet.« Sein Herz klopfte in seiner Brust. »Was ist passiert, Chris?«
    »Ich kam zurück, nachdem er weg war… Decker.« Donatti rutschte nervös auf dem Sitz herum. »Sie ließ mich herein. Wir haben uns gestritten. Es war eine üble Auseinandersetzung, Gabe. Ich habe die Beherrschung verloren.«
    »Du hast sie wieder geschlagen ?«
    »Nein, nein, nein.« Er schwieg einen Moment. »Ich habe sie nicht geschlagen, und ich habe sie

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