Wollust - Roman
hat dir von ihm erzählt?«
»Der Vorarbeiter.«
»Chuck Tinsley oder Keith Wald?«
»Tinsley.«
»Der, der den Leichnam entdeckt hat«, sagte Decker. »Wir
sollten noch einmal mit ihm reden. Vielleicht erinnert er sich besser, wenn er nicht ganz so durcheinander ist. Und der Erste am Tatort ist immer auch ein Verdächtiger.«
»Ganz meine Meinung. Ich hatte außerdem eine nette Unterhaltung mit Bea Blanc – der Schwester des Opfers. Sie und Adrianna standen sich seit Jahren nicht besonders nahe. Bea ist Börsenmaklerin – verheiratet, mit ein paar Kindern –, und die beiden lebten sehr unterschiedliche Leben. Sie wusste nicht viel über Adriannas Lebenswandel.«
»Hast du irgendwelche Animositäten zwischen den beiden herausgehört?«
»Nicht während des Gesprächs. Sie wirkte ziemlich best ürzt.«
»Also ist sie als Informationsquelle ein Reinfall und steht als Verdächtige am unteren Ende unserer Liste.«
»Genau.«
»Also dann, gute Arbeit. Sonst noch etwas?«
»Im Moment nicht. Ich dachte mir, ich gehe zu den anderen im Vorführraum und schaue mit ihnen die Bänder von den Ein- und Ausgängen des Krankenhauses durch. Bis jetzt sieht es so aus, als hätte Adrianna es nie bis zu ihrem Auto geschafft. Marge und Oliver wollen jetzt wissen, ob Adrianna das Krankenhaus überhaupt je verlassen hat.«
»Es hieß doch, das Krankenhaus würde uns die Bänder nicht aushändigen?«
»Offensichtlich gab es einen Sinneswandel. Willst du mitkommen und selbst mal einen Blick reinwerfen?«
»Vielleicht in ein paar Minuten. Ich muss noch einige Anrufe erledigen. Sag allen, dass ich da bin, falls jemand mit mir reden möchte.«
»Wird erledigt.«
Nachdem Wanda gegangen war, telefonierte Decker das Haustechniker-Personal des Hotels durch. Sein erster Anruf
galt Eddie Booker. Ein Junge, der so klang, als stecke er gerade mitten in der Pubertät, nahm das Gespräch entgegen. »Mom und Dad sind gerade im Urlaub.«
»Weißt du, wann sie wieder zurück sein werden?«
»Keine Ahnung. Sie können mit meiner Großmutter quatschen. Sie ist in ’ner Stunde wieder da.«
»Kann ich dir meine Nummer geben, damit sie mich zur ückruft, sobald es ihr passt?«
»Öh, ich hab hier keinen Stift. Soll ich einen holen?«
»Bitte.« Decker gab ihm die Nummer, dankte dem Jungen und legte in dem Bewusstsein auf, dass Grandma seine Nachricht wahrscheinlich nie bekommen würde. Sein nächster Anruf galt Reffi Zabrib. Gregory Zatch, der Leiter des Haustechnik, hatte gesagt, Zabrib sei vermutlich nach Europa zurückgegangen. Also wunderte sich Decker nicht weiter, dass die Telefonnummer abgemeldet worden war. Da Zabrib gekündigt hatte, als Terry noch putzmunter war, stand er nicht sehr weit oben auf ihrer Liste.
Blieben noch sechs Leute aus der Haustechnik und sechzehn aus dem Housekeeping. Decker war gerade dabei, die nächste Nummer zu wählen, als es an seinem Türrahmen klopfte. Marge, die sich die Augen rieb, betrat sein Büro.
»Wir machen eine Pause. Möchtest du die Filme sehen?«
Decker blickte auf die Uhr. »Ich glaube, ich fahre mal zu Hause vorbei und schau nach, ob meine Frau sich noch an mich erinnert. Wie weit seid ihr? Wanda meinte, Adrianna hat es wohl nie mehr bis zu ihrem Auto zurückgeschafft.«
»Wir haben sie einfahren, einparken und zur Fahrstuhltür gehen sehen.«
»Und das sind die letzten Bilder, die es von ihr gibt?«
»Bis jetzt haben wir sie noch nicht entdeckt, wie sie irgendwo durch die Tiefgarage geht. Sie hing auf der Baustelle. Irgendwann muss sie das Krankenhaus verlassen haben. Problematisch
ist außerdem die Bildqualität der Kassetten. Es gibt da jede Menge Leute, die ein und aus gehen und die wir nicht identifizieren können.«
»Oder aber jemand hat sie unbemerkt herausgeschafft. Adrianna scheint ja einen unblutigen Tod gestorben zu sein, sprich erwürgt oder vergiftet. Im Inneren eines Krankenhauses gibt es viele Wege, um an wirkungsvolle Chemikalien heranzukommen.«
»Laut Povich sind Kameras auf die Medizinschränke gerichtet. Ich werde mir mal diese Bänder ansehen und herausfinden, wer sich bei den starken Sachen bedient hat. Ab wann können wir mit dem toxikologischen Bericht vom Labor rechnen?«
»Das dauert noch ein paar Wochen«, sagte Decker. »Was ist eigentlich aus Aaron Otis und Greg Reyburn geworden? Sollten sie nicht mittlerweile in der Stadt sein?«
»Ihr Auto hatte ungefähr achtzig Kilometer vor Santa Barbara eine Panne, und die Reparatur dauert bis morgen
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