Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
hat gesagt, sie wäre zu solchem Zeug nicht in der Lage. Und ich hab’s ihr geglaubt. Ich weiß, das hört sich jetzt unglaublich dämlich an, aber jeder hat ihr geglaubt. Außerdem, bei den meisten von diesen Geschichten war sie nicht mal dabei.«
»Darauf kommt es nicht an«, sagte Paige. »Ein Volo – das ist der höchste Rang eines telekinetischen Halbdämons – muss nicht unbedingt selbst anwesend sein, wenn er seine Kräfte einsetzt. Ich habe mal von einem Fall gehört, wo ein Volo einen Pfeil im Nebenraum mit genug Kraft in eine Zielscheibe schleudern konnte, dass der Pfeil zu Streichhölzern zersplittert ist.«
Ich schloss die Augen. »Wie kann man bloß so dumm sein!«
»Es ist nicht deine Schuld«, sagte Paige. »Du hast’s ja selbst gesagt – jeder scheint ihr geglaubt zu haben. Wenn die Leute an Telekinese denken, dann stellen sie sich jemanden vor, der Löffel verbiegt. In Wirklichkeit sind Volos möglicherweise die gefährlichsten Halbdämonen, die es gibt. Sie könnten jemanden aus einem Fenster im zehnten Stock werfen, ohne einen Finger krumm zu machen.«
Ich hätte mich dafür verfluchen können, dass ich Leahs Mädchen-von-nebenan-Masche geschluckt hatte – die ganze gespielte Teilnahme, die Hilfsangebote, die Versuche, Freundschaft zu schließen. Ich hatte ihr geglaubt. Ich hatte zugehört, als sie ihr Netz von Lügen und Täuschungen um ein unschuldiges Kind wob, Zweifel säte, bis Savannah selbst sich schuldig fühlte. Hatte Leah gewusst, dass Ruth Savannah unterrichtete? Hatte sie sie umgebracht, um den Lektionen ein Ende zu machen? Was Leah auch immer vorhaben mochte, es hatte etwas mit Savannah zu tun. Und ich hatte sie zusammen zurückgelassen.
Mit einem Mal konnte ich nicht mehr atmen. Ich kämpfte mich auf die Füße und rannte aus dem Zimmer.
Ich hörte, wie Clay mir folgte. Ohne langsamer zu werden lief ich um das Motel herum zum Wald. Er rief nicht hinter mir her, ich sollte stehen bleiben oder auf ihn warten; er trabte nur hinterher und holte mich ein, als ich den Wald erreichte.
»Paige hat Recht«, sagte er nach ein paar Minuten. »Es ist nicht deine Schuld.«
»Doch, ist es. Ich wollte Savannah da rausholen. Aber ich hab’s nicht getan. Im entscheidenden Moment habe ich es mit der Angst zu tun gekriegt. Ich hab mir eingeredet, es wäre besser, sie dort zu lassen. In Wirklichkeit habe ich es besser gewusst. Ich habe meine Chance zur Flucht genutzt, egal, was mit allen anderen passiert.«
»Das glaube ich nicht. Wenn du sie zurückgelassen hast, dann deshalb, weil es nicht anders ging. Wir holen sie raus, wenn wir wieder hingehen.«
»Es hört sich aber nicht so an, als ob das in näherer Zukunft geschieht.«
Jeremy erschien hinter uns. »Wir gehen hin, sobald wir so weit sind, Elena. Du bist in Sicherheit, wir brauchen uns also nicht zu beeilen.«
»Aber Savannah –«
»Unser wichtigstes Anliegen ist es, diese Leute auszuschalten, nicht, jemanden zu retten.«
»Aber ihr hattet doch vor, mich rauszuholen.«
»Das ist etwas anderes. Clay und ich wollten das Risiko eingehen. Alle anderen konnten ihre eigene Entscheidung treffen. Ich werde dein Leben und Clays nicht aufs Spiel setzen, um eine Fremde zu retten. Auch wenn es ein Kind ist.«
»Und wenn ich mich entscheide, das Risiko selbst einzugehen?«
»Es steht dir nicht frei, diese Entscheidung zu treffen, Elena. Solange du ein Teil des Rudels bist, treffe ich sie für dich, und ich verbiete dir, wieder dort hinzugehen.«
»Das ist nicht –«
»Nicht fair«, vervollständigte Jeremy. »Ja, das haben wir alles schon besprochen. Aber es ist das Gesetz des Rudels. Und droh mir jetzt nicht damit, dass du das Rudel verlassen wirst. Ich werde dafür sorgen, dass du nicht allein zu dieser Anlage zurückgehst, ganz gleich, welche Rechte auf Selbstbestimmung du zu haben glaubst. Ich übernehme die Verantwortung für diese Entscheidung. Wir werden alles versuchen, um dieses Kind zu retten, wenn wir wieder hingehen. Wenn ihm irgendwas zustößt, bevor wir kommen, kannst du mir die Schuld geben, nicht dir selbst.«
Ich begann zu widersprechen, aber Jeremy hatte sich bereits abgewandt.
Ich versuchte gar nicht erst, mit Jeremy weiter zu debattieren. Nach zehn Jahren, die ich in seinem Haus und nach seinen Regeln gelebt hatte, wusste ich, was funktionierte und was nicht. Wenn Jeremy einmal eine Entscheidung getroffen hatte, gab es nur noch eine Möglichkeit, ihn umzustimmen – man musste den Widerstand mit Logik
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