Women of the Otherworld 04: Pakt der Hexen
dass ich sehr froh war, meine offenen Sandalen in Miami gelassen zu haben.
Vom Flur aus konnte ich in drei Richtungen gehen: die Treppe hinauf, ins Wohnzimmer und zu der Tür am Ende des Gangs, die vermutlich in die Küche führte. Ich sprach am Fuß der Treppe einen Ortungszauber. Er mochte für Vampire nutzlos sein, aber in diesem Gebäude tat man sicherlich gut daran, auch die Lebenden zu bedenken und nicht nur die Untoten. Der Ortungszauber fiel negativ aus, und ich ging ins Wohnzimmer. Keine Spur von einem Vampir oder von etwas, das groß genug gewesen wäre, um einen zu verbergen. Das Gleiche galt für die Küche und die Essecke dort. Selbst die Schränke waren zerlegt wo r den. Alle Türen und Regalbretter waren fort, mögliche r weise um die Feuerstelle zu unterhalten, die ich mitten im Wohnzimmer gefunden hatte.
Als ich zur Treppe ging, glitt etwas über den Fußboden des ersten Stocks. Das Geräusch war zu leise für Schritte … außer die Füße gehörten den großen Nagetieren, deren Visitenkarten ich im Schutt gesehen hatte. Ich stieg die Treppe zur Hälfte hinauf und versuchte es noch einmal mit dem Ortungszauber. Auch diesmal wieder negativ. Jetzt, als ich darüber nachdac h te, kam mir das seltsam vor. Frischer Rattendreck bedeutete Ratten, und die Formel hätte sie registrieren müssen. Ich glaubte den Grund für ihr plötzliches Verschwinden zu kennen. Ratten verlassen nicht nur sinkende Schiffe, sondern auch die Umgebung stärkerer Raubtiere.
Ich bereitete einen Rückstoßzauber vor und stieg die Tre p pe ganz hinauf. Das Haus war vollkommen still und ruhig. Zu still. Zu ruhig.
Vom oberen Ende der Treppe aus konnte ich in alle vier Räume sehen. Ich wollte einen der beiden Räume an der Vorderseite benutzen, was meine Auswahl auf zwei b e schränkte, und einer davon war das Bad – zu klein für das, was ich mir vorstellte. Ich spähte in das vordere Schla f zimmer, vergewisserte mich, dass es leer war, trat ein und legte einen Perimeterzauber über die Tür. Das Problem war, dass ich diese Formel noch nie an einem Vampir auspr o biert hatte und mich somit nicht auf sie verlassen konnte. Wenn ich dies hinter mir hatte, würde ich mein ganzes Repertoire an Spür- und Meldeformeln an Ca s sandra ausprobieren müssen. Nicht, dass sie sich jemals freiwillig als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen würde, aber es gab Methoden, dies zu umgehen.
Als Nächstes bereitete ich einen weiteren Rückstoßza u ber vor. »Vorbereiten« heißt, dass ich die Formel zu spr e chen begann, bis nur noch einige letzte Worte fehlten, um sie auszulösen. Formeln sind fabelhafte Waffen, aber was die Geschwindigkeit angeht, mit der sie einem zur Verf ü gung stehen, gehören sie in die Kategorie von Pfeil und Bogen. Wenn der Pfeil nicht schon in dem Moment auf der Sehne liegt, in dem sich jemand auf einen stürzt, hat man ein Pro b lem. Das zweite Problem ist, dass man den letzten Teil der Formel nicht bis in alle Ewigkeit hinau s zögern kann. Lucas und ich hatten einmal ein Wochene n de mit entsprechenden Experimenten verbracht und waren zu dem Schluss geko m men, dass man eine Formel über etwa zwei Minuten vorbere i ten konnte. Danach musste man von vorn anfangen. Dies war das erste Mal, dass ich meine Recherchen in die Praxis u m setzte, und so erneuerte ich die Formel alle sechzig Sekunden – nur um sicherz u gehen.
Ich ging zu dem Fenster hinüber. Es war zugenagelt, aber jemand hatte das mittlere Brett entfernt, wahrschei n lich damit etwas Sonnenlicht hereinkam. Ich stellte mich seitlich daneben, so dass ich sowohl das Fenster als auch die Tür sehen konnte, und lenkte meine Lichtkugel hinter mich, damit sie mich nicht blendete.
Nachdem meine Augen sich an die Dunkelheit der Str a ße unten gewöhnt hatten, konnte ich Cassandras Gestalt erke n nen, die den leeren Gehweg entlangging – die Pradas klackten ungeduldig auf dem Asphalt, die Jacke von Do l ce & Gabbana blähte sich hinter ihr. Wie viele Leute standen wohl außer mir noch an den Fenstern dieser Straße, au f merksam geworden durch den Lärm, den wir vorhin g e macht hatten, und sahen zu, wie diese teuer gekleidete, attraktive Frau von vierzig Jahren ganz allein die Straße entlangging? Rede noch einer von leichten Zielen … Aber niemand kam heraus. Vielleicht trauten sie sich nicht.
Nach Cassandras Kurs und ihrem entschlossenen Schritt zu urteilen, war sie auf dem Weg zu mir; wah r scheinlich hatte sie nichts gefunden. Das bedeutete, dass
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