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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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hätte. Aber plötzlich betrachtete ich die Welt mit anderen Augen. Plötzlich stießen mir Äußerungen anderer Unternehmer auf, die sich bei irgendwelchen Gelegenheiten empörten: »Der Mitarbeiter betrügt mich! Der hat einfach, ohne zu fragen, neue Lagerkarren gekauft. Der bringt uns um unseren Gewinn. Das ist mein Geld. Solche Leute muss man wegen Diebstahl entlassen!«
    Vielleicht hätte ich früher nur achselzuckend auf solche Sprüche reagiert. Denn natürlich wurde bei dm niemand entlassen, wenn er defekte Arbeitsgeräte durch taugliche ersetzte. Aber nun störte mich die Haltung, die sich in solchen Sätzen artikulierte. Oder wie hatte es ten Siethoff noch formuliert, als er mir die drei Fragen mitgab: »Je nachdem, welche Haltung Sie bewusst einnehmen, schauen Sie in die Welt und können sich die Fragen so oder so beantworten.«
    Wer war für wen da? Der Kunde? Der Mitarbeiter? Das Unternehmen? Ist der Mensch Mittel oder Zweck?
    Diese Fragen verfolgten mich. Mit der Zeit wurde es immer klarer: Nichts auf der Welt wird gemacht, ohne dass der Mensch das Ziel ist. Also ist der Mensch nie Mittel, immer Zweck!
    Genau darin liegt allerdings das Problem unserer Gesellschaft heute: Egal ob Sie Geschäftsberichte oder Wirtschaftszeitung lesen, egal ob Manager Magazin , Spiegel , Frankfurter Allgemeine Zeitung – immer ist es genau andersherum: Der Mensch ist Mittel, nie Zweck. Deswegen haben wir die ganzen Verwerfungen.
    Damals vollzog ich die entscheidende Wende.
    Wenn man mit diesen Fragen anfängt, wenn man das ernst nimmt, also nicht nur versteht, sondern auch fühlt, dann schaut man anders in die Welt. Und wenn man anders in die Welt schaut, entdeckt man etwas anderes, und dann macht man den Unterschied. Dann fängt man an, sein Unternehmen in eine andere Richtung zu führen. Die Frage: Wer ist für wen da?, zieht automatisch die Frage nach sich:
    Ist das Unternehmen für den Gewinn da oder der Gewinn für das Unternehmen?
    Ich empfehle Ihnen, dieses Buch einen Moment beiseite zu legen und selbst über diese Frage nachzudenken: Ist das Unternehmen für den Gewinn da oder der Gewinn für das Unternehmen?
    Meine Antwort ist diese: Die wesentliche Aufgabe des Unternehmers ist es, zwischen sich eigentlich widersprechenden Polen eine Balance herzustellen. Der eine Pol heißt: Du musst Gewinn machen! Der andere Pol heißt: Du musst möglichst günstig anbieten! Das widerspricht sich. Und die meisten Leute bringen die Bewegung zwischen diesen Polen nicht in einen harmonisierenden Rhythmus, sondern denken dual im Entweder-Oder: »Wenn ich mehr Gewinn machen will, muss ich die Preise erhöhen …« Und wundern sich, dass langfristig der Kunde wegläuft. Der Kunde akzeptiert höhere Preis nämlich nur, wenn die Gegenleistung dafür größer ist. Und am liebsten ist es ihm, wenn er Qualität zu niedrigem Preis bekommt. Deswegen muss ein Unternehmer gleichzeitig die Leistung verbessern und die Preis senken. Eine Preissenkung ist ja ebenfalls eine Leistungssteigerung. Ich senke die Preise, um die Gewinne zu erhöhen. Es werden dann mehr Kunden kommen, und so wird das Unternehmen mehr Gewinn machen. Man muss sich im permanenten Rhythmus zwischen Kundenorientierung (gute Qualität, niedriger Preis) und Unternehmensinteressen (hohe Gewinne, langfristige Innovationssicherung) hin- und herbewegen.
    Es scheint so wahnsinnig banal, ist aber so verdammt schwer.
    Fundgrube für alle, auch alltägliche Probleme
    Mit der Zeit habe ich angefangen, mich richtig in die diversen Texte der Anthroposophie reinzubohren. Ich entwickelte ein reges Innenleben, ein konstantes Denken, das mich durch den ganzen Tag begleitete. Das merkte ich zum Beispiel daran, dass mich plötzlich die Radiomusik bei der Autofahrt störte. Ich fuhr damals einen Wagen, bei dem das Radio automatisch anging, wenn man den Zündschlüssel im Schloss drehte. Nun war ich aber immer mit irgendwelchen Gedanken beschäftigt. Fortan blieb das Autoradio aus. Bis heute. Selbst wenn ich ins Taxi steige, bitte ich sofort darum, die Musikberieselung auszuschalten.
    Man muss die richtige Balance finden. »Vita activa« und »vita contemplativa« gehören zusammen. Die Aktion braucht die Reflektion. Deswegen haben wir bei dm auch stets einen Satz des flämischen Dichters Guido Gezelle gepflegt: »Denke erst und handle dann und handelnd denke stets daran.« Leider kann man heute viel zu oft beobachten, dass die Reflektion zu kurz kommt. Die Menschen sind immer mit irgendetwas

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