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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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diesen beiden Polen gleichsam spielerisch umzugehen. Das Spiel besteht aus dem gegenseitigen Durchdringen und Sichaufheben.
    Der Mensch fühlt sich wertgeschätzt, wenn er sich als Bewusstseinswesen angesprochen fühlt, und er fühlt sich beschämt, wenn er als Triebwesen benutzt wird. Früher oder später spürt er den Unterschied. Denn wie heißt es im Prolog von Goethes Faust, als Mephisto Gott die Wette anbietet, er werde beweisen, was der Mensch für eine erbärmliche Kreatur sei. Da billigt Gott dem Teufel zu, den arglosen Dr. Faust in Versuchung führen zu dürfen:
    »Nun gut, es sei dir überlassen,
    zieh diesen Geist von seinem Urquell ab
    und führ ihn, kannst du ihn erfassen,
    auf deinem Wege mit herab.«
    Aber sogleich unterstreicht der Goethesche Gott, für wie aussichtslos er diesen teuflischen Versuch hält:
     
    Und steh beschämt, wenn du bekennen musst:
    Ein guter Mensch, in seinem dunkeln Drange,
    Ist sich des rechten Weges wohl bewusst.«
    Die meisten Unternehmen meinen, sie müssten an den dunklen Drang appellieren, deswegen ist Werbung so oft dumm, eitel oder sexistisch und appelliert nicht an das eigentlich Menschliche. Sie sagen: »Ätsch, der König ist Kunde, der Kaiser sind wir.«
    Die Kunst ehrlicher Kommunikation ist es – beharrlich und bescheiden –, an der Zielsetzung zu arbeiten, den Kunden auf Augenhöhe anzusprechen, damit auf Dauer wirklich erlebbar wird, dass der Kunde nicht das Objekt unserer Begierde ist, sondern das Ziel unserer Anstrengungen.
    Wenn wir bei dm nach den Kundenbedürfnissen forschen, dann suchen wir genau diesen Unterschied: Sind die Bedürfnisse nur dunkler Drang? Oder sind sie sich des rechten Weges wohl bewusst? Genau diese Fragen stellen wir, wenn wir die Bedürfnisse unserer Kunden durch unser Angebot veredeln wollen. Das bedeutet, immer zu versuchen, den Menschen so anzusprechen, wie er gern wäre, und nicht, wie er gerade scheint – und ihm dadurch dabei zu helfen, das Höhere in ihm zur Geltung zu bringen.

Fortschritt ist das Werk der Unzufriedenheit.

Fortschritt ist das Werk der Unzufriedenheit.
Jean-Paul Sartre
    K APITEL 4   Realträume
oder wie die Utopien von heute die Realitäten
von morgen werden
    Der Unternehmer ist ein Realträumer. Für ihn ist der Traum wie Realität. Für die anderen ist es ein unerreichbares Luftschloss, aber für den Unternehmer ist es bereits gebaut, und er läuft buchstäblich darin herum. Man kann nur etwas unternehmen und umsetzen, wenn man es sich vorstellen kann. Wenn man keine großen Träume hat, kommt nur wenig heraus. Der Unterschied zwischen dem real-befangenen Menschen und dem real-träumenden, unternehmerischen Menschen liegt darin, dass der befangene Mensch seine Wahrnehmung mit seinen Vorstellungen verwechselt und dadurch nichts Neues entdecken kann; während der unternehmerische Mensch offen durch die Welt geht, ständig Neues wahrnimmt und daraus neue Einsichten bekommt. Nur das, was wir träumen können, können wir auch denken. Das, was wir denken können, können wir auch wollen. Und das, was wir wollen, können wir auch tun.
    Es fängt immer mit einer Utopie an. Die Utopien von heute sind die Realitäten von morgen. Die Realitäten von heute sind die Utopien von gestern. Individuelle Fortbewegung war mal eine Utopie; dann hat einer das Automobil erfunden, und heute haben wir ein mächtiges Verkehrsgetümmel. Das erste Berliner Telefonbuch, das 1881 mit 185 Einträgen erschien, wurde im Volksmund das »Buch der Narren« genannt, weil angeblich nur Verrückte ein Telefon hatten. Sieben Jahre später gab es in Berlin mehr Telefonanschlüsse als in jeder Stadt in den Vereinigten Staaten von Amerika.
    Deswegen sagt man auch, Unternehmer sind Verrückte, weil sie auf der Zeitachse des Mainstreams »verrückt« sind. Aber für denjenigen, der seine Ideen umsetzt, ist das alles völlig normal, weil er es aus einer inneren Einsicht, einer Notwendigkeit, einem inneren Anliegen heraus macht. Im Nachhinein erklärt sich alles. Oder um nochmal an Fichte zu erinnern: »Die klare Einsicht in den zurückgelegten Weg kommt später und bildet erst den freien Künstler.«
    Deswegen ist es die vornehmste Aufgabe für jemanden, der Führungsverantwortung hat, ein Stück weiter zu schauen als andere: Was sind die neuen Fragen, und was entwickeln sich daraus für neue Realitäten? Wenn sich die Menschen nie gefragt hätten, wie gelingt es uns zu fliegen, dann wäre nie ein Flugzeug erfunden worden.
    In genau dieser

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