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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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schon den für ihre individuelle Situation angemessenen Weg.
    Ein Unternehmer ist kein Dompteur. Führen funktioniert nicht, indem man den Menschen Wurstscheibchen vor die Nase hält, so wie man einen Hund zum Springen bringt. Die meisten Menschen meinen, Führen heißt Druck aufbauen. Das ist ein Irrtum. Man darf nicht Druck aufbauen, sondern man muss einen Sog entfachen. Sinn hat eine unglaubliche Sogwirkung.

Man bewältigt ein Gebirge, und man stolpert über einen Stein.
Gertrud von Le Fort
    K APITEL 6  Projektarbeit
oder wie man ein Warenwirtschaftssystem
intelligent macht
    Obgleich wir tagtäglich einkaufen, machen sich die wenigsten Menschen Gedanken, wie der Handel eigentlich funktioniert. Handel scheint im Prinzip ganz einfach: Man kauft Ware ein, stellt die Ware ins Regal und verkauft sie. Fertig. Doch zwischen Handel und Handel gibt es gewaltige Unterschiede! Wenn zwei das Gleiche machen, ist das noch lange nicht dasselbe. Und obwohl manches scheinbar genauso funktioniert wie vor hundert Jahren, ist schon zwischen dem Handel der 1970er Jahre und dem Handel von heute ein himmelweiter Unterschied.
    Wenn mein Vater sehen würde, wie die Menschen heute einkaufen, würde er es nicht fassen können: Da treten junge Menschen im Kaufhaus ans Regal, greifen ein Produkt heraus und fotografieren mit ihren Mobiltelefonen wenige Millimeter große Barcodes. Dann drücken sie auf ein paar Tasten, um binnen Sekunden zu erfahren, ob der angebotene Preis von einem anderen Händler unterboten wird.
    Mein Vater bot in seiner Drogerie noch großteils lose Waren an. Er schaufelte Tee in der gewünschten Menge in ein kleines Tütchen, legte das Tütchen auf eine Waage und berechnete den Preis von Hand. Nur für Markenartikel gab es aufgrund der Preisbindung feste Verkaufspreise, so dass der Kunde hier wie dort dasselbe bezahlen musste. Das machte das Rechnen einfacher, aber um zu wissen, wie viel er am Tag verdient hatte, musste mein Vater noch Abend für Abend die Kasse zählen. Und dann wusste er nur, wie viel Geld er eingenommen hatte; aber er wusste nicht, womit . Um herauszufinden, ob die Kunden mehr Zahnpasta oder mehr Rasierwasser gekauft hatten, ob sie lieber Duschgel oder lieber Badesalz kauften – dafür musste er entweder mühsam von Hand jeden Einkauf protokollieren und abends die Einträge auswerten, oder er musste regelmäßig durch die Regale gehen und schauen, wo sich der Bestand verringert hatte. Beides war denkbar mühsam. Schon bei mehreren hundert verschiedenen Produkten eine wahre Sisyphos-Aufgabe. Kaum ein Händler brachte die Disziplin auf, diese kleinteilige Protokollierung durchzuführen. Was für ein Aufwand, nur um am Ende zu wissen, dass man beispielsweise 29 Flaschen Rasierwasser und 17 Tuben Zahnpasta verkauft hatte.
    Diese Zahlen allein hatten zudem kaum Wert für einen Händler. Erst wenn er sie ins Verhältnis setzte, etwa zum Vorjahr, dann konnte er einen Trend erkennen. Oder wenn er aus Einkaufs- und Verkaufspreis den Gewinn errechnete und mit der umgesetzten Warenmenge multiplizierte, dann konnte er ermitteln, welche Artikel am meisten zum Überleben seines Geschäftes beitrugen. Alles andere war persönliches Erfahrungswissen: Frau Meier bevorzugt diese Ware, Herr Müller jene. Frau Schulz kauft immer die teuren Artikel, Herr Walz dagegen nimmt immer das Billigste. Die Entscheidung, was ein Händler in sein Regal stellte, fällte er aus dem Bauch heraus. Mit welcher Ware er am Ende sein Geld dann wirklich verdiente, sah er noch nicht einmal bei der jährlichen Inventur.
    Mit dieser Art von Blindflug wäre heute kein Geschäft mehr möglich. Inzwischen verkauft jede dm-Filiale etwa 12 500 verschiedene Artikel, und der Preiskampf mit der Konkurrenz findet im Centbereich statt. Die Einzelhändler können nur deswegen überleben, weil sie ganz genau wissen, welche Ware sie wann zu welchem Preis verkauft haben – und zwar auf Knopfdruck. So überlegen sich Händler ganz genau – und zwar anhand computergestützter Datenberechnungen –, welche Produkte sie in ihr wöchentlich wechselndes Sonderangebot aufnehmen.
    Als wir die ersten dm-Märkte in Deutschland eröffneten, waren solche Überlegungen völlige Zukunftsmusik. Dass man eines Tages minutiös wissen könnte, welche Produkte »Renner« und welche »Penner« sind, war unvorstellbar. Dass es eine gesetzliche Auflage geben wird, die es verbietet, detaillierte Daten über individuelles Konsumverhalten einzelner Kunden auszuwerten,

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