Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
und ihm nach und nach, wenn sie dazu in der Lage sind, entsprechend verzinst zurückzahlen (Entschuldung).
Es ist wie in einer arbeitsteilig funktionierenden Familie. Während der eine für die Entschuldung sorgt, indem er durch Arbeit für Einkommen sorgt, kann der andere für Nahrung sorgen, indem er Lebensmittel einkauft. Beide Arbeiten sind notwendig, sonst könnte die Familie nicht überleben. Die eine Arbeit trägt zur Verschuldung bei, die andere Arbeit zur Entschuldung. Beide Arbeiten sind unverzichtbar.
So haben wir unseren Sprachgebrauch angepasst: Es gibt bei dm keine Filialen, die Gewinn machen. Manche dm-Filialen tragen zur Entschuldung bei, manche sind noch in einem Stadium, in dem sie Unterstützung brauchen, in sie muss man also noch investieren. Zur Wertschöpfung tragen sie alle bei.
Deswegen haben wir im Rechnungswesen die komplette Wertschöpfungskette abgebildet: Jeder, der eine Leistung erbringt, muss dafür einen Preis kalkulieren. Dieser Preis wird demjenigen berechnet, der die Leistung in Anspruch nimmt. Deswegen gibt es bei dm keine »Kosten«, sondern nur noch Leistungen. Die IT-Abteilung zum Beispiel produziert nämlich keine Kosten, sondern sie erfüllt Bedürfnisse, die in anderen Abteilungen im Gesamtorganismus entstanden sind. Diese Leistungen werden mit einem Preis versehen, der von jeder Abteilung eigenverantwortlich und offen kalkuliert werden muss.
Ein weiteres Kennzeichen unserer Wertbildungsrechnung ist, dass wir nicht nur den Leistungsaustausch zwischen Filiale und Zentrale transparent machen, sondern auch innerhalb der Zentrale zwischen den Ressorts. In anderen Unternehmen werden die Kosten der Zentrale in einem großen Topf versenkt, auf dem das Schild »Gemeinkosten« prangt. Gelegentlich entdeckt man im wirren Gemengelage so nichtssagende Posten wie »Verwaltungskosten« oder »Vertriebsaufwand«. Was genau da wer für wen geleistet hat, bleibt im Dunkeln. Bei dm ist das dagegen komplett transparent. Das Ressort Finanzen bringt, indem es deren Belege verarbeitet, Leistungen für alle Filialen; es bringt aber genauso auch Leistungen für in der Zentrale ansässige Ressorts, etwa das Mitarbeitermanagement, weil es auch deren Belege verarbeitet. Für diesen Bearbeitungsprozess erfolgt eine interne Rechnungsstellung – und zwar auch dann, wenn diese Leistung des Finanzressorts in den Leistungszusammenhang des Mitarbeitermanagements für die Filialen einfließt. Das heißt, wir bringen in unserer Rechnungslegung den gesamten innerbetrieblichen Leistungsaustausch zum Ausdruck.
Ziel ist es, jeder erbrachten Leistung (ob intern oder extern) einen Wertbetrag zuzuweisen und diesen allen Beteiligten bewusst zu machen. Jede Filiale sieht nicht nur die Erträge, die sie selbst erwirtschaftet hat, und die Aufwendungen, die aus ihrer Filialtätigkeit entstehen, sondern sie sieht auch die Aufwendungen, die im Ressort A, B oder C, das der Filiale zugearbeitet hat, entstanden sind. Damit erlebt jede Einheit ihren Leistungserstellungsprozess als Bestandteil des betrieblichen Miteinanders und kann das an der Rechnungslegung nachvollziehen. Diese Leistungen werden anschließend nicht nach irgendeinem willkürlichen Schlüssel umgelegt (»verrechnet«), sondern mit einem kalkulierten Leistungspreis »berechnet«, um den gleichberechtigten Dialog in dieser internen Kundenbeziehung deutlich zu machen.
So errechnen wir aus dem Umsatz minus Wareneinsatz den Deckungsbeitrag. Der wird dann aufgeteilt in Fremdleistungen (Heizung, Strom, Versicherung usw.), Vorleistungen (IT, Controlling, Logistik usw.) und Eigenleistungen (Mitarbeitereinkommen, Steuern, Investitionen, Ent-/Verschuldung usw.).
Manche Manager halten solche Dinge für Firlefanz oder reine Wortspielerei. Das ist es ganz sicher nicht! Denn hinter unser Wertbildungsrechnung steckt vor allem eins: Transparenz bis in die Peripherie der gesamten Organisation! In anderen Handelsunternehmen ist man sehr weit von solcher Transparenz entfernt. Da weiß die einzelne Filiale nicht einmal, was für einen Ertrag sie erwirtschaft hat. Wobei das so offen nicht gesagt wird. Selbstverständlich wird in fast allen Unternehmen den Filialleitern irgendein Ergebnis kommuniziert: der Deckungsbeitrag. Aber dabei wird erheblich – nun, sagen wir einmal – gemogelt:
Typischerweise gibt es nämlich in der Abrechnung zwischen Industrie und Handel relativ viel Spielraum. Da gibt es für jedes Produkt eine Art offiziellen Listenpreis. Außerdem gibt es
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