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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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wir. Trotzdem haftete ihm das Billigimage an. Ehemalige Schlecker-Kunden, die heute zu uns kommen, sind deswegen oft sehr überrascht, wie billig es bei dm ist. Manche Verkäuferin hat deswegen bei Schlecker gearbeitet und bei dm gekauft.
    Übrigens hat nicht nur Schlecker ausgesprochen gereizt auf unsere Dauerpreisoffensive reagiert. Auch die Industrie nahm uns übel, dass wir statt auf Aktionen nunmehr auf niedrige Dauerpreise setzten. Denn alle Konkurrenten glaubten, wir bekämen jetzt auch günstigere Konditionen von der Industrie, und verhandelten mehr. Da wurden Stimmen laut, die Industrie solle einen »Preispflegerabatt« zahlen dafür, dass man eine bestimmte Preisschwelle nicht unterschreite. Man mache sich das mal klar. Da wollten Händler Geld von der Industrie zur Belohnung dafür bekommen, dass sie ihren Kunden die Ware teurer verkaufen als nötig. Es war absurd.
    Es war die simple Wahrheit, dass wir schlicht produktiver waren als andere. Zu einem Zeitpunkt, als Schlecker mit mehr als 13 300 Filialen zum »größten Drogeriebetreiber in Europa« aufgestiegen war, erzielte die Kette einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro. dm erwirtschaftete mit 660 Filialen in Deutschland und 843 in Europa, also etwa einem Zehntel der Schlecker-Filialen, 2,8 Milliarden Euro, also mehr als 40 Prozent des Schlecker-Umsatzes. Einfacher gesagt: dm machte pro Filiale fast viermal so viel Umsatz wie Schlecker. Zu uns kamen mehr Kunden, und sie kauften bei uns mehr ein.
    Von der Industrie wurden wir zu keinem Zeitpunkt gefördert, im Gegenteil: Mit dem Hersteller der Zahnpasten Aronal und Elmex gerieten wir richtig in Clinch, als wir im Zuge der Dauerpreissetzung die beiden Artikel für 3,95 Mark anboten. Der Hersteller benannte uns gegenüber plötzlich Lieferschwierigkeiten und beklagte sich an anderer Stelle über unseren Ehrgeiz, »unbedingt billiger als Schlecker sein zu müssen«. Da begriffen wir die Ursache der Lieferschwierigkeiten, beugten uns dem Druck, weil wir dem Kunden die Ware nicht vorenthalten wollten, und gingen exakt auf den geforderten Preis von 4,43 pro Tube. Allerdings klärten wir unsere Kunden auf einer Tafel am Verkaufsregal über den Lieferanten auf und zeigten den Lieferanten beim Bundeskartellamt an.
    Schlecker hat weniger im Sinne der Kunden gehandelt und wurde dafür von der Industrie belohnt. Hinterher waren alle schlauer. Im März 2012 erklärte das Handelsblatt : »Und so wurde ein hausgemachtes Problem, das Schlecker von Beginn an begleitete, zu einer existenziellen Bedrohung. Schlecker hat – in Relation zum Umsatz – deutlich höhere Kosten als die Konkurrenz, allein wegen der Masse an kleinen, umsatzschwachen Filialen und der vielen Mitarbeiter. […] Auch Banken hätten in Schleckers Riesenreich Probleme gehabt, Sicherheiten für Kredite zu finden. Mussten sie auch nicht, weil Schlecker sich weitgehend über Lieferantenkredite finanzierte. Das einem Schneeballsystem vergleichbare Konzept sollte sich am Ende bitter rächen: Weil keine Bank von der Insolvenz ernsthaft betroffen ist, findet sich nun auch kein Institut, das sich ernsthaft für die Rettung Schleckers interessiert.«
    Die Kunden hatten keine Chance, zu erkennen, wie mit ihnen gespielt wurde. Die Mitarbeiter hatten keine andere Wahl. Und die Industrie hat das Spiel munter mitgemacht. Für sie war das Risiko überschaubar. Die Lieferantenkredite waren nämlich über die Markant bei EulerHermes rückversichert. Mit der Schlecker-Pleite verlor die Versicherung viele Millionen Euro. Das zahlt dann nicht die Industrie, selbst wenn sich dadurch die Versicherungsbeiträge erhöhen. Denn am Ende werden Versicherungskosten als »Gemeinkosten in der Herstellung« in die Produkte eingepreist, und so zahlt für die riskanten Geschäfte mal wieder der Verbraucher.
    »Der Discounter, den die Gewerkschaft lobt«
    Trotz alledem war Schlecker für dm ein wertvoller und wichtiger Wettbewerber. Ich habe immer gesagt: Wenn es den Schlecker nicht gäbe, müssten wir ihn erfinden. Damals wurde ich immer wieder gefragt, warum ich die Insolvenz von Schlecker bedauerte, obwohl den meisten das Schicksal der vielen arbeitslosen Mitarbeiterinnen natürlich auch leid tat. Da erklärte ich stets: »Das ist doch klar: Mercedes wird mit Audi und BMW verglichen. Wir werden mit Schlecker verglichen. Etwas Besseres kann einem doch gar nicht passieren!«
    Der Mensch lebt vom Vergleich. Und im Vergleich zu Schlecker konnte ich immer sehr leicht erklären, was dm

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