Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
ausmacht. Ob aus Sicht der Lieferanten, aus Sicht der Bänker oder aus Sicht der Kunden. Das hat unheimlich gut kontrastiert.
»Bei der Mitarbeiterführung ist der Unterschied zu Marktführer Schlecker besonders groß«, hat die Zeitung Die Welt einmal über uns geschrieben, als es Schlecker noch gab. Unter der Überschrift »Der Discounter, den die Gewerkschaft lobt« wurde beschrieben, wie wir bei dm arbeiten: Wir wären führend bei der Nutzung von IT und hätten viel schneller als andere mit den Daten unserer Payback-Kunden maßgeschneiderte Angebote entwickelt.
»Die unerreicht hohe Produktivität von dm macht es möglich. Und die wiederum ist nur zu erreichen, weil die Manager neben den Menschen auch der Maschine eine hohe Bedeutung einräumen.« Die wahre Sensation ist, dass so etwas in Deutschland eine Nachricht ist: Ein Manager räumt nicht nur Maschinen, nein, auch den Mitarbeitern räumt er hohe Bedeutung ein!
Das Befremden des Journalisten darüber, dass bei dm Mitarbeiter wie mündige Menschen behandelt werden, spürte man fast in jeder Zeile: »Auch wenn sich mancher Kritiker des ›Waldorf-Discounters‹ darüber lustig macht, dass die Geschäftsführung im Verkauf von Zahnpasta oder Bio-Müsli einen Akt der Sinngebung für die Mitarbeiter sieht: dm ist inzwischen in vielen Bereichen Maßstab für den gesamten deutschen Einzelhandel.«
Menschen wie Menschen zu behandeln, mag für viele nur ein Spleen sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass Wirtschaft keinen anderen Zweck verfolgt: miteinander füreinander tätig sein. Die Wertbildungsrechnung spiegelt dieses Bewusstsein und beweist, dass nicht nur die Maschinen, sondern auch die Zahlen den Menschen dienen statt sie zu knebeln und zu knechten.
Und unser Erfolg überzeugt selbst die größten Skeptiker. Staunend berichten die Medien, wie es bei dm zugeht. Im Magazin McKinsey Wissen hieß es 2004:
»Früher waren Unternehmenszahlen das Hoheitswissen der Verantwortlichen, aus dem Koffer des Bezirksleiters kamen allenfalls Umsatz- und Abverkaufszahlen. Heute bekommt jede Einheit – ob Filiale, Gebiet, Region oder Zentralressort – ihre monatliche Wertbildungsrechung, ein dm-eigenes Rechenwerk, das Eigen-, Fremd- und Vorleistungen interner und externer Geschäftspartner ausweist, dazu Inventurdifferenzen, Steuern und Warenzinsen, Telefon-, Entsorgungs- oder Werbekosten. Das Rechenwerk schließt mit einer Zahl für die Ver- oder Entschuldung.
Ein anderes Instrument macht die Mitarbeiter zu Sortimentsmanagern, indem es ihnen die Strukturanalyse der verschiedenen Warenanordnungen überlässt. Sie kennen Umsatz und Erträge einzelner Artikel, wissen, welche schnell und welche langsam drehen, und können so die Produktivität im Regal selbst steuern.
Auf eigene Verantwortung können sie auch die Preise einzelner Artikel anpassen, wenn es die Konkurrenzsituation erforderlich macht. Es gibt Filialen, die 1500 sogenannte angelegte Preise haben, Preise, die von der Vorgabe der Zentrale abweichen. Die Filialen stellen selbst neue Mitarbeiter ein und müssen nicht mehr den Bezirksleiter damit behelligen, wenn Frau X jetzt nur noch nachmittags arbeiten will. Den Mitarbeitereinsatzplan machen selbstverständlich die, die davon betroffen sind – jeder trägt seine Wunschzeit ein und lernt dabei, dass kollegiale Abstimmung nötig ist, wenn der Laden laufen soll.«
Man spürt förmlich, wie sich der Journalist Stefan Scheytt, der diesen Text geschrieben hat, wundert. Aber er versteht, dass die Art, wie wir bei dm den Menschen wahrnehmen und behandeln, wesentlicher Teil unseres Erfolges ist. Deswegen schließt er seinen Artikel:
»Bei dm sind die Menschen tatsächlich das wichtigste Kapital, konsequenterweise hat Gründer Werner deshalb auch eine buchhalterische Revolution gewagt: Die Mitarbeitereinkommen verbucht der Konzern nicht unter Kosten, sondern als Produktivfaktor – eine Investition, die sich für alle auszahlt.«
Begriffe sind Ideen, Unternehmer sind Gärtner
Übrigens: Was die vielen scheinbar fremdartigen Begriffe angeht, die zum dm-Wortschatz gehören, gebe ich offen zu: Ich bin ein Begriffsfetischist. Ich habe die feste Überzeugung, ein großes Unternehmen kann man nur über die richtigen Begriffe führen. Es macht für den Mitarbeiter eben sehr wohl einen Unterschied, ob ich von Kosten oder von Leistungen rede. Es tritt ja keiner vor und sagt: »Ich will Kosten machen!« Ideen entstehen, wenn jemand sagt: »Ich möchte den Kunden etwas
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